Politik
Pharmadialog: Preisbremse für Arzneien bleibt
Dienstag, 12. April 2016
Berlin – Rund 15 Monate haben Bundesregierung, Pharmaverbände, Gewerkschaften und Krankenkassen über den Pharmastandort Deutschland beraten. Dabei standen Forschung, Produktionsbedingungen und eine hochwertige, aber bezahlbare Arzneimittelversorgung für die Bevölkerung auf der Tagesordnung. Die Hoffnungen der Pharmavertreter, das leidige Verfahren nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) aufweichen zu können, wurde in den Gesprächen des Pharmadialogs nicht erfüllt.
Am Dialog haben neben Vertretern der drei beteiligten Bundesministerien Vertreter von fünf Pharmaverbänden, sowie zu Einzelthemen auch vom GKV-Spitzenverband und vom Gemeinsamen Bundesausschuss teilgenommen. Die vier Gesprächsrunden fanden in den vergangenen Monaten unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Heute stellten die Beteiligten die Ergebnisse in Berlin vor.
Größtes Streitthema in den Dialog-Runden war die Diskussion um die Fortführung des Verfahrens der frühen Nutzenbewertung durch das AMNOG aus dem Jahr 2011. Laut Pressemitteilung „sehen die Dialogpartner das AMNOG-Verfahren als ‚Qualitätsmerkmal‘ für den Standort Deutschland an und wollen es weiterentwickeln“. Dabei soll bei den hochpreisigen und neuen Arzneimitteln, die im AMNOG-Verfahren durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geprüft werden, weiterhin eine Preisbremse erhalten bleiben.
Umsatzschwellenwert festlegen
Bislang müssen Krankenkassen bis zu zwölf Monate nach Einführung den vom Unternehmen festgelegten Preis zahlen. Gegen diese „Mondpreise“ hatten sich vor allem die Krankenkassen ausgesprochen und verlangten Rückzahlungen und kürzere Erstattungszeiträume. Die neue Vereinbarung sieht vor, dass eine Erstattung im ersten Jahr nur dann früher kommen soll, wenn das neue Arzneimittel einen bestimmten Umsatz überschreitet. Allerdings ist die Höhe noch unklar. Dies könne, so heißt es aus dem Ministerium, im Bereich zwischen 100 und 500 Millionen Euro liegen. Entsprechende Gesetzesänderungen sollen bis Ende 2016 verabschiedet sein.
Weiterhin geheim bleiben sollen die Erstattungsbeiträge, die Krankenkassen für die neuen Medikamente zahlen. Die Sozialversicherungsträger sowie auch die Verbände der Privaten Krankenversicherer bekommen darauf Zugriff, veröffentlicht werden die Preise allerdings nicht, da der Erstattungsbeitrag in Deutschland in vielen anderen Ländern als Referenz gilt. Hier hatten die Pharmaunternehmen Sorge, in anderen Ländern deutlich weniger für ihre Medikamente erzielen zu können.
Ärzte besser informieren
Auch Ärzte sollen besser über neue Arzneimittel informiert werden. Dabei geht es vor allem um die Biosimilars, aber auch um Innovationen, die im Rahmen der frühen Nutzenbewertung im G-BA diskutiert werden. Hier soll geprüft werden, wie Ärzte darüber künftig besser informiert werden können.
In den Gesprächen haben die Pharmaverbände zugesagt, die Zahl der Kinderarzneimittel zu erhöhen, heißt es aus dem Bundesgesundheitsministerium. Bei der Dauer von Genehmigungsverfahren für neue Medikamente sieht das BMG sich auf einem guten Weg, man liege nach den USA und Japan auf Platz drei bei der Dauer von Zulassungsverfahren. Probleme gebe es allerdings bei klinischen Prüfungen, wenn dabei radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung eingesetzt werden. Auch diese Prüfungen sollen verkürzt, ein entsprechender Referentenentwurf des Strahlenschutzgesetzes soll im Laufe des Jahres 2016 vorgelegt werden, erklärte das BMG.
Antibiotikaresistenzen bekämpfen
Auch das Thema Antibiotikaresistenz stand auf der Tagesordnung der Gespräche und wurde vor allem in einer speziellen Unterarbeitsgruppe erörtert. Hier wurde vereinbart, in der Forschung neue Ansätze und Alternativverfahren zu prüfen. Dazu werde das Bundesforschungsministerium die Förderung von neuen Therapien ausbauen.
Auch soll eine Liste erarbeitet werden, auf denen die Medikamente aufgeführt werden, bei denen eine Resistenz droht. Das BMG will sich dafür einsetzen, dass diese Liste auch von anderen Ländern aufgesetzt und im Rahmen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf den Weg gebracht wird. Auch will das BMG gemeinsam mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA), der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Informationen für Ärzte und Patienten zu Resistenzen von Antibiotika erstellen.
Im Zuge des Pharmadialogs haben auch der G-BA, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) eine engere Zusammenarbeit vereinbart. Ziel solle es sein, „frühzeitig eng und strukturiert bei gemeinsamen Fragestellungen hinsichtlich der Zulassung von Arzneimitteln und der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln andererseits zusammenzuarbeiten“, heißt es in einer Mitteilung.
Lieferengpässe vermeiden
Beim PEI soll laut Regierungsplänen auch ein Register für Impfstoffe sowie eine Marktbeobachtung aufgebaut werden, so dass Lieferengpässe bei Arzneimitteln früher erkannt werden. Der gemeinsame Austausch zwischen Impfstoffherstellern und PEI soll aber zunächst nicht in einem Gesetz festgehalten werden, sondern auf einer freiwilligen Vereinbarung beruhen.
Damit auch mittelständische Unternehmen bei der Ausschreibung von Rabattverträgen von Krankenkassen zum Zuge kommen, soll es künftig möglich sein, zwischen dem Zuschlag und der Auslieferung sechs Monate Zeit zur Umsetzung zu bekommen. © bee/aerzteblatt.de
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