Medizin
Ernährung: Alte Studie, neu entdeckt, bezweifelt Nutzen von pflanzlichen Fetten
Donnerstag, 14. April 2016
Chapel Hill – Die Analyse einer vor mehr als 40 Jahren durchgeführten randomisierten Studie, deren Unterlagen kürzlich im Keller des ehemaligen Studienleiters gefunden wurden, stellt das langjährige Mantra von US-Ernährungsforschern und Kardiologen infrage, nach dem eine an ungesättigten Fettsäuren reiche Kost vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützt. Die jetzt im britischen Ärzteblatt (BMJ 2016; 353: i1246) veröffentlichte Studie ist bereits die zweite Entdeckung dieser Art, die auf eine selektive Publikation von wissenschaftlichen Daten zur „Diät-Herz-Hypothese“ hinweist.
Im Jahr 1968 hatte in den USA eine der seltenen randomisierten klinischen Studien zum Einfluss der Ernährung auf die Gesundheit begonnen. Insgesamt 9.423 Bewohner von sechs psychiatrischen Kliniken und einem Pflegeheim im US-Staat Minnesota wurden über 4,5 Jahre auf zwei unterschiedliche Diäten gesetzt. In beiden Gruppen bestand die Kost zu 38 Prozent aus Fett. In der einen Gruppe war dies die übliche amerikanische Kost mit 18 Prozent gesättigten Fettsäuren, 16 Prozent einfach ungesättigten Fettsäuren und 5 Prozent mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Hinzu kamen 446 mg Cholesterin am Tag.
In der anderen Gruppe war der Anteil der gesättigten Fettsäuren auf 9 Prozent gesenkt. Dafür enthielt die Kost 14 Prozent einfach ungesättigte Fettsäuren und 15 Prozent mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Die Cholesterinmenge betrug 166 mg Cholesterin pro Tag. Diese Veränderung wurde vor allem durch den Ersatz von tierischen Fetten (Butter) durch pflanzliche Fette (Margarine) erreicht, die einen hohen Anteil an Linolsäure und anderen ungesättigten Fettsäuren haben.
Die Studie sollte die 1952 von Ancel Keys von der University of Minnesota aufgestellte „Diät-Herz-Hypothese“ bestätigen, die in der Folge die Leitlinien der US-Kardiologen zur gesunden Ernährung bestimmte. Keys war aufgrund von tierexperimentellen Studien zu der Überzeugung gelangt, dass gesättigte Fettsäuren eine der wichtigsten Ursachen für den Herzinfarkt sind. Diese Ansicht wurde später durch zahlreiche epidemiologische Studien bestätigt und der renommierte Ernährungswissenschaftler Frank Hu von der Harvard School of Public Health in Boston kam noch vor zwei Jahren zu dem Ergebnis, dass eine an ungesättigten Fettsäuren reiche Ernährung vor einer koronaren Herzkrankheit (KHK) schützt (Circulation 2014; 130: 1568-1578).
Hu konnte ausschließlich Kohortenstudien auswerten, die zwar eine große Anzahl von Probanden über lange Zeit beobachten. Diese Studien sind jedoch anfällig gegenüber Verzerrungen. So ist denkbar, dass Menschen mit einer fett- und cholesterinarmen Kost auch aus anderen Gründen gesundheitsbewusst leben und dass diese anderen Verhaltensweisen dann das verminderte Risiko erklären.
zum Thema
- Abstract der Studie
- Pressemitteilung der University of North Carolina
- Pressemitteilung des BMJ
- Meta-Analyse von Hu
- Frühere Publikation in Arteriosclerosis
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Diese Gefahr besteht bei randomisierten klinischen Studien nicht. Diese sind jedoch schwer zu organisieren und in der Regel auch kostspielig. Das Minnesota Coronary Experiment war eine der wenigen Studien dieser Art zur „Diät-Herz-Hypothese“. Hauptautor war Ivan Frantz von der University of Minnesota Medical School, ein Kollege von Ancel Keys. Obwohl es sich um eine groß angelegte Studie handelte, wurden die Ergebnisse nur teilweise und verspätet veröffentlicht. Die Studie war 1973 abgeschlossen. Erst 1989 berichtete Frantz in Arteriosclerosis (1989; 9: 129-35), dass die modifizierte Kost mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren wie Linolsäure zwar den Cholesterinwert senkte (von 207 auf 175 mg/dl). In Bezug auf Herzinfarkte oder Todesfälle war kein Unterschied zu erkennen.
Vor kurzem hat der Sohn des inzwischen verstorbenen Hauptautors Unterlagen zur alten Studie im Keller des Elternhauses gefunden. Er stellte die Daten – mehrere verstaubte Kartons mit Akten und ein Magnetband – Christopher Ramsden von der University of North Carolina in Chapel Hill zur Verfügung. Ramsden hat vor einigen Jahren schon einmal eine alte randomisierte klinische Studie zur Diät-Herz-Hypothese ausgegraben und neu analysiert. Die Sydney Diet Heart Study hatte zwischen 1966 und 1973 insgesamt 458 Männer im Alter von 30 bis 59 Jahren auf zwei Gruppen randomisiert. In einer konnten die Teilnehmer ihre Diät fortsetzen, in der anderen wurden sie gebeten, tierische Fette zu vermeiden und in der Küche Butter durch Distel-Öl zu ersetzen, das den Teilnehmern zur Verfügung gestellt wurde.
Die vor drei Jahren im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2013; 346: e8707) veröffentlichten Ergebnisse zeigten, dass der Verzehr von Omega-6-Fettsäuren und hier vor allem Linolsäure die Zahl der kardiovaskulären Ereignisse nicht senkte, sondern sogar ansteigen ließ. Die Hazard Ratios für den Tod durch eine koronare Herzkrankheit (1,33; 0,99-1,79) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen (1,27; 0,98-1,65) verfehlen zwar das Signifikanzniveau. Sie stärken aber die Zweifel an der Empfehlung der American Heart Association, pflanzliche Öle gegenüber tierischen Fetten zu bevorzugen.
Die jetzt von Ramsden vorgestellten Ergebnisse weisen in die gleiche Richtung. Die Umstellung der Ernährung war erneut mit einem leichten Rückgang des Cholesterinwertes verbunden. Die niedrigeren Cholesterinwerte hatten jedoch keine protektive Wirkung. Im Gegenteil: Mit jedem Rückgang des Cholesterinwerts um 30 mg/dl stieg das Sterberisiko der Patienten um 22 Prozent an. Die Hazard Ratio von 1,22 war mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,14-1,32 signifikant. Dass dieser Anstieg der Mortalität tatsächlich auf den Rückgang des Cholesterins zurückzuführen ist, erscheint extrem unwahrscheinlich, da zahlreiche randomisierte klinische Studien gezeigt haben, dass eine Senkung des Cholesterinwertes Herzinfarkte verhindern kann.
Wahrscheinlicher ist, dass die Zusammensetzung der Fette eine Rolle spielt. Der hohe Anteil an Linolsäure ist nach Ansicht von Ramsden „unnatürlich“. Noch vor einem Jahrhundert hätte der Anteil von Linolsäure 2 bis 3 Prozent betragen. Heute seien es in der US-Kost 7 Prozent. Der Grund ist nicht weniger in der Bevorzugung von Margarine gegenüber Butter zu suchen. Pflanzenfette werden heute vor allem beim Braten und Frittieren benutzt, ihr Anteil ist vor allem in Fastfood-Artikeln hoch.
Dieser hohe Anteil begünstigt möglicherweise die Oxidation von Abbauprodukten der Linolsäure im Blut, was wiederum die Entwicklung der Atherosklerose fördern und die erhöhte Rate von gefäßbedingten Todesfällen in den beiden randomisierten Studien erklären könnte. Diese oxidierten Abbauprodukte wurden laut Ramsden in anderen Studien auch mit chronischen Schmerzen und der Entwicklung einer Fettleber in Verbindung gebracht. © rme/aerzteblatt.de

Richtig @L.A. das Verhältnis von Omega 6 zu Omega 3 ist entscheidend,
Zudem ist pflanzliches o-3 nur etwa 1/4 so wirksam wie "tierisches"(Fisch) bzw. Algen-o-3, das auch die Fische vertilgen. Das nun bis auf wenige Ausnahmen bei den Pflanzen-Ölen das 0-6 deutlich überwiegt, auch beim Sonnenblumenöl, muss man da einfach etwas genauer hinsehen.
"Gesättigtes" Ol bzw. Fett ist per se "inflammatorisch" inaktiv, sozusagen neutral und natürlich NICHT gesundheistsschädlich. Das wird immer nur verwechselt mit hypercalorischer Ernährung.
Interessanterweise ist das simple Weidegras reich an o-3. Und das Wild oder das Zuchtrind, das (fast) ausschließlich mit Weidegras ernährt wird hat entsprechen auch eine messbar günstigere Fettzusammesetzung. Mein Tipp Südamerikanisches Rindfleisch, die haben kein Geld für Mast.
Die brauchen auch etwas Geld um unsere VW-s zu kaufen, so ist beiden geholfen.
Dr.Bayerl, Düsseldorf

Viel zu hoher Fettanteil

Ernährungsforschung denkt und argumentiert einfältig-naiv
Ernährungsweisen bzw. Ernährungsverhalten sind immer ein essentieller Teil des individuellen Lebensstils und einfach nicht von anderen, tendentiell gleichsinnigen Verhaltensweisen zu trennen (entweder "mehrdimensional" gesundheitsbewusst oder -ignorant). Genau aus diesem Grunde ist aller Regel die in unzähligen Studien untersuchte (mono-)Kausalität zwischen einzelnen Nahrungsbestandteilen und langfristigen gesundheitlichem Outcome schlichtweg unsinnig. Zur Auswertung epidemiologischer Studien entwickelte und eingesetzte statistische Modelle können zudem gerade einmal für eine Handvoll vermuteter Störfaktoren adjustieren.
Darüber hinaus spiegelt sich im aktuell vorherrschenden wissenschaftlichen Denkansatz der für die "anorganische" Physik und Chemie übliche Ansatz des mehr oder weniger linearen und unidirektionalen Zusammenhangs wieder: je mehr ein Auto im Regen steht, umso mehr rostet es. Physiologisch geht anders: lebende Systeme sind im "aktiven Dialog" mit ihrer Umwelt, sie sind ihr nicht wehrlos ausgeliefert! Jeder äußere Reiz triggert eine Reaktion, und die Reaktionsfähigkeit ist nicht vorhersagbar begrenzt. Deshalb macht z.B. ein Immunsystem nicht schlapp, wenn es eine bestimmte Anzahl an Begegnungen mit Immunogenen abgearbeitet hat. Es ist daher reichlich naiv, davon auszugehen, dass Ernährungsbestandteile z.B. ein wehr- und reaktionsloses Gefäßsystem streng dosisabhängig schädigen. Vielmehr können auch potentiell (in vitro!?) schädliche Stoffe in gewissem Rahmen sogar durch Aktivierung der körpereigenen Antwort unter dem Strich positiv wirken. Dieses Prinzip der Hormesis, für die Radonbalneologie seit langem propagiert, findet ion jüngster Zeit zunehmend Beachtung.
Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass man auch in der Ernährungsforschung nur Antworten auf gestellte Fragen erhält. Und die waren und sind offensichtlich bislang angesichts der Komplexität der Wirklichkeit regelhaft einfältig-naiv und die daraus abgeleiteteten Schlussfolgerungen (positiv wie negativ) invalide.

Verhältnis Omega 6 / Omega 3 Fettsäuren, ist das entscheidend ?
P.S. seit Jahren warte ich auf einen wissenschaftlichen Artikel zum Thema Omega-3 Fettsäuren im Deutschen Ärzteblatt !

Trans-Fettsäuren unbekannt? Von wegen!

Vielleicht lag´s an den Trans-Fetten in der Margarine?
MfkG
Andrea Schmelz

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