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Medizin

Hirnimplantat verleiht Quadriplegiker neue Beweglichkeit der Hand

Donnerstag, 14. April 2016

Columbus/Ohio – Ein 24-jähriger Mann, der seit einem Sportunfall unterhalb der Ebene von C4/C5 gelähmt ist, kann dank eines Hirnimplantats und einem neuromuskulären elektrischen Stimulator wieder seine rechte Hand bewegen. Laut einer Studie in Nature (2016; doi:10.1038/nature17435) hat der Patient innerhalb von 15 Monaten leichte Tätigkeiten gelernt, die ihm Bewegungsfreiheiten wie bei einer Querschnittlähmung auf Höhe von C7/T1 einräumen.

Die Querschnittlähmung auf Höhe von C4/C5 erlaubt dem jungen Mann, Schultern und eingeschränkt auch die Ellbogen bewegen zu können. Die elektromyographische Untersuchung auf der rechten Seite zeigte Impulse in M. deltoideus (C56), M. biceps (C56) und M. extenso carpi radialis (C67). Dagegen sind M. triceps (C678), M. pronator teres (C67), M. extensor digitorum (C78), M. extensor indicis (C78), M. flexor policis longus (C78), M. abductor policis brevis (C8-T1) sowie die ersten Mm. interossei (C8-T1) stumm. Eine Beweglichkeit ist damit nicht möglich.

Vor der Operation führte das Team um den Neurochirurgen Ali Rezai vom Wexner Medical Center in Columbus eine funktionelle Kernspintomographie durch. Sie sollte jene Region des primär motorischen Cortex auf der linken Großhirnrinde lokalisieren, die Nervensignale in die Muskeln des rechten Arms sendet, die für die Bewegung der Hand zuständig sind.

In einer frontoparietalen Kraniotomie wurde dann ein Mikroelektrodenarray auf die Großhirnrinde implantiert. Es fängt die Signale auf, die durch die Bewegungsabsicht im primär motorischen Cortex ausgelöst werden. Diese Signale werden vom Mikroelektrodenarray über einen „Neuroport“ auf der Schädeldecke an einen Rechner weitergeleitet. Der Rechner analysiert die Signale und übersetzt sie in elektrische Impulse, die dem Patienten über insgesamt 130 Elektroden auf der Haut des rechten Unterarms appliziert wurden. Diese aktivieren dann die unter der Haut verlaufenden Muskeln, was eine Bewegung der Hand zur Folge hat.

Der Patient lernte in dreimal wöchentlichen Sitzungen über einen Zeitraum von 15 Monaten, seine gelähmte Hand „kraft“ seiner  Imagination zu bewegen. Am Ende konnte er eine Flasche greifen, anheben und danach den Inhalt durch eine Pronation im Handgelenk in ein Glas gießen. Danach rührte er das Getränk mit einem Strohhalm um. Auf der Konsole „Guitar Hero“, einem minimalistischen Instrument, das statt Saiten fünf Tasten für einzelne Akkorde hat, kann der Patient eine Play Station steuern. Die Querschnittlähmung wurde während der Übungen auf die Ebene C7/T1 zurückgestuft, was dem Patienten im Alltag eine deutliche Erleichterung verschaffen würde.

Dies ist vorerst allerdings nur im Labor des Battelle Memorial Institute in Columbus Ohio möglich, da die Umsetzung der Signale vom Neuroport in die Impulse für die Hautelek­troden noch einen enormen technischen Aufwand erfordert. Eine Miniaturisierung des Rechners sowie die drahtlose Übertragung von Neuroports seien jedoch vorstellbar, schreiben die Forscher.

Die Entwicklung von Gehirn-Computer-Schnittstellen hat in den letzten Jahren rasche Fortschritte gemacht. Den Anfang bildeten Experimente, in denen gesunde Probanden anhand von EEG-Ableitungen den Cursor auf einem Computermonitor bewegten. Inzwischen ist es im Ansatz möglich, mit Hirnimplantaten Roboterarme oder auch Exoskelette zu bewegen. Andere Forscher versuchen, den Patienten mit transkutanen Rückenmarksimulatoren und Exoskeletten eine gewisse Mobilität zu verschaffen. Auch neuronale oder elektrische Verbindungen zu Nerven, die nicht von der Querschnittverletzung betroffen sind, könnte die gelähmte Muskulatur wieder für willkürliche Bewegungen rekrutieren.

© rme/aerzteblatt.de

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