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Medizin

Zikavirus und Mikrozephalie: CDC betrachtet Kausalität als erwiesen

Donnerstag, 14. April 2016

dpa

Atlanta/Paris - Jetzt ist es offiziell. Nachdem die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und andere Experten lange gezögert hatten, sprechen Mitarbeiter der US-Behörde in einem Beitrag zum New England Journal of Medicine (NEJM 2016; doi: 10.1056/NEJMsr1604338) jetzt von „genügenden Beweisen für einen kausalen Zusammenhang zwischen pränataler Zikavirus-Infektion und Mikrozephalie und anderen schweren Hirnanomalien“.

Lange Zeit galten die Henke-Koch-Postulate als wichtigstes Kriterium für die Beweisführung. Sie wurden allerdings zu einer Zeit aufgestellt, als Viren noch nicht bekannt waren und es den Begriff der Teratogenität noch nicht gab. Heute werden häufiger die Bradford Hill-Kriterien herangezogen, Sonja Rasmussen von der CDC in Atlanta entscheid sich dagegen für die weniger bekannten sieben Kriterien, die der Forscher Thomas Shephard von der Universität von Washington in Seattle 1994 speziell für die Beweisführung einer Teratogenität vorgeschlagen hat. Drei der ersten vier Hauptkriterien sind essenziell, die anderen drei Kriterien stützen die Beweisführung.

Das erste Shephard-Kriterium legt fest, dass die Exposition mit dem Auslöser (dies kann neben einem Mikroorganismus auch eine Chemikalie sein) zu einem bestimmten Zeitpunkt der Schwangerschaft auf den Organismus eingewirkt haben muss. Bei Fehlbildungen muss dies das erste Trimenon sein. In dieser Phase der Embryogenese werden die einzelnen Körperteile angelegt, im zweiten und dritten Trimenon kommt es lediglich zu einer weiteren Ausreifung und einem Wachstum. Die meisten Zika-Infek­tionen, die zur Mikrozephalie führten, traten im ersten Trimenon auf. Infektionen im zweiten und dritten Trimenon waren laut den Recherchen von Rasmussen lediglich mit intrauterinen Wachstumsstörungen assoziiert.

Das zweite Shephard-Kriterium fordert, dass wenigstens zwei qualitativ hochwertige Studien eine Assoziation gezeigt haben, vorzugsweise mit einem wenigstens sechsfach erhöhten relativen Risiko. Angesichts der zahlreichen Studien der letzten Wochen könnte der Eindruck entstehen, dass an einer Assoziation nicht zu zweifeln ist. Auf den zweiten Blick waren die Ergebnisse nicht so überzeugend, da die Fallzahlen klein sind und die 95-Prozent-Konfidenzintervalle sehr weit ausfielen. Nach Ansicht von Rasmussen ist das zweite Kriterium deshalb nur teilweise erfüllt.

Das dritte Shephard-Kriterium fordert, dass der Auslöser ein klar umrissenes Syndrom auslöst. Dieses Kriterium ist erfüllt. Zum kongenitalen Zika-Syndrom gehört neben der Mikrozephalie auch eine redundante Kopfhaut, Augenveränderungen, eine angeborene Gelenksteife (Arthrogryposis) und eine Klumpfuß-Fehlbildung. Die redundante Kopfhaut scheint eine Besonderheit des Zika-Syndroms zu sein. Sie weist darauf hin, dass nur das Gehirn, nicht aber die Haut von der Störung betroffen ist, was ansonsten bei einer Mikrozephalie selten der Fall ist. Rasmussen nennt dies eine „fetal brain disruption sequence“. Nur 20 Fälle seien vor der Zika-Epidemie in der Literatur beschrieben worden.

Das vierte Shephard-Kriterium fordert, dass eine seltene Exposition zu einer seltenen Erkrankung führt. Rasmussen sieht dies unter anderem durch den Fall einer finnischen Touristin erfüllt, die bei einem Aufenthalt in Mittelamerika an einer Zika-Infektion erkrankte und deren Kind in utero erst später in der Heimat eine Mikrozephalie entwickelte. In Finnland gibt es keine Zika-Viren und Mikrozephalien sind ebenfalls eine sehr seltene Fehlbildung. Das Zusammentreffen weist deshalb stark auf eine Kausalität hin.

Damit sind drei der vier Hauptkriterium erfüllt, was nach Shepherd eine Kausalität belegt. Das Kriterium fünf, die für Koch zentrale Forderung einer Auslösung im Tiermodell, ist nicht erfüllt. Das Kriterium sechs, das eine plausible biologische Grundlage fordert, ist erfüllt. Das kongenitale Zika-Syndrom hat viele Ähnlichkeiten zur Röteln-Embryopathie. Außerdem belegen Laborexperimente, dass das Virus Hirnzellen infizieren und zerstören kann. Das siebte Kriterium bezieht sich nur auf chemische Auslöser und kann deshalb auf das Zika-Virus nicht angewendet werden. © rme/aerzteblatt.de

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