Politik
Kurze Bundestagsdebatte zum Anti-Korruptionsgesetz
Freitag, 15. April 2016
Berlin – Nur rund 38 Minuten haben sich die Bundestagsabgeordneten für die Debatte um zu Gesetz genommen, über das in den Ausschüssen und Expertenrunden seit Sommer 2015 gestritten wurde: Das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen wurde in der Dritten Lesung am Donnerstagnachmittag mit 464 Ja-Stimmen, 58-Nein stimmen und 54 Enthaltungen angenommen. Künftig findet sich im Strafgesetzbuch der Paragraf 299a und 299b, nach dem demjenigen eine Geld- oder bis zu dreijährige Haftstrafe droht, der einem Angehörigen eines Heilberufes Vergünstigungen anbietet oder diese annimmt.
Auf die namentliche Abstimmung hatte die Links-Fraktion im Bundestag gedrängt – was dazu führte, dass die Debatte am Ende unruhig wurde. Schließlich kamen neben den zuständigen Abgeordneten aus dem Bundestagsrechtsausschuss und dem mitberatendem Gesundheitsausschuss auch alle anderen Abgeordneten dazu, so dass Schlussredner Rudolf Henke (CDU), Mitglied des Gesundheitsausschusses und 1. Vorsitzender des Marburger Bundes, sich mächtig ins Zeug legen musste, um sich noch Gehör zu verschaffen.
„Es ist ein guter Tag für die Patienten“, rief er den Abgeordneten zu. Unter ihnen waren viele, die die kurzfristigen Veränderungen am Gesetz kritisch betrachten. So hatte sich Karl Lauterbach (SPD) und auch sein Partei-Kollege, der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses Edgar Franke, im Vorfeld der Abstimmung in den Ausschüssen davor gewarnt, dass der Patientenschutz mit den Änderungen geschädigt werde. Vor allem kritisierten sie, dass der Strafrechtsparagraf kein Bezug mehr auf das Berufsrecht von Heilberufen nimmt. Die Rechtspolitiker der SPD hatten diesem Kompromiss mit der Union zugestimmt – ohne sich im Vorfeld mit den Kollegen aus dem Gesundheitsausschuss dazu auszutauschen. Da sei viel Ärger unter den Kollegen entstanden, heißt es.
Entsprechend zurückhaltend agierten die SPD-Abgeordneten in der Debatte. Hauptkritiker Lauterbach bleib der Aussprache bis kurz vor Schluss fern, was Opposition und auch CDU-Abgeordnete genüsslich ausgekosten. „Wo ist er denn?“ fragte Karin Vogler von den Linken.
SPD-Politiker Franke hielt sich mit der Kritik zurück, aber auch mit dem Lob an der eigenen Arbeit. Zwar sei es die SPD gewesen, auf deren Drängen das Vorhaben zum Gesetz in den Koalitionsvertrag kam, allerdings sei das Ergebnis nun nicht ganz so, wie es die Fraktion erwartet habe.
„Als SPD-Politiker sage ich: Ganz persönlich hätte ich mir gewünscht, dass im Strafgesetzbuch der Patientenschutz präziser gefasst worden wäre, und dass er insgesamt einen höheren Stellenwert bekommen hätte; das will ich nicht verhehlen. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Gesetzgebung ist immer ein Prozess, in dem man vielleicht auch noch nachsteuern muss.“
Zwar sei das Gesetz jetzt kein „zahnloser Tiger“. „Allerdings sage ich auch kritisch, dass es Fallkonstellationen in Monopolsituationen oder bei im ersten Jahr patentgeschützten Medikamenten geben kann, die nicht geregelt sind; das müssen wir sehen. Wir müssen auch sehen, dass der Wettbewerbsbegriff streitig ist.“ Ebenso monierte er, dass kurz vor Abschluss des Gesetzes die Bestimmungen für Apotheker herausgefallen sind. „Nicht ganz unproblematisch in diesem Gesetzentwurf – auch das will ich kritisch anmerken – ist, dass die Abgabe von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln beziehungsweise Medizinprodukten aus dem Tatbestand genommen wurde.“
Für die Gesundheitspolitiker der Koalition sprach Henke und betonte die positiven Aspekte für Patienten, aber auch Ärzte an dem Gesetz: „Es schützt die Menschen in Gesundheitsberufen, die täglich ehrlich arbeiten“, so Henke.
Deutliche Kritik kam von den Oppositionsfraktionen: Zwar findet es Vogler von den Linken wichtig, „dass heute hier alle einig sind, dass Korruption im Gesundheitswesen bekämpft werden müsse“, allerdings sei der „Geburtsfehler“ des Gesetzes nicht behoben worden: „Sie haben die Regelung ins Wirtschaftsstrafrecht gelegt statt etwa bei den Amtsdelikten. Damit haben Sie sich in eine Falle begeben, aus der Sie nicht mehr herauskommen. Im Ergebnis wird nun vor allem der Wettbewerb geschützt, also konkurrierende Anbieter auf dem Gesundheitsmarkt, und weniger die Patientinnen und Patienten“, so Vogler.
Sie plädierte erneut für mehr Schutz für Hinweisgeber und warb für die Veröffentlichungspflicht von Geldern, die von Pharmaunternehmen an Ärzte fließen. Auch Grünen-Politikerin Renate Künast, Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, sieht den Gesetzesentwurf als nicht gelungen an: „Der Referentenentwurf aus dem vergangenen Jahr war bedeutend besser als das, was wir heute zur Abstimmung vorliegen haben, meine Damen und Herren von der Koalition.“
Deutsches Ärzteblatt print
- Korruption im Gesundheitswesen: Gesetz kurz vor Abschluss?
- Korruptionsgesetz: Koalition einigt sich auf letzte Details
aerzteblatt.de
Zwar sei es begrüßenswert, dass überhaupt diskutiert werde, denn da sei mit der früheren schwarz-gelben Regierung nicht möglich gewesen. Doch die Herausnahme von Apothekern und den Rabattverträgen sei keine gute Lösung – „da hat sich wohl doch ein FDPler unter die Union geschlichen“, so Künast. Die Grünen enthielten sich am Ende bei der Abstimmung.
Ärzteverbände und Organisationen hatten in der Diskussion immer wieder darauf hingewiesen, dass mit einem Gesetz keine sozialrechtliche Kooperationen geschädigt werden dürfen. „Kooperationen im Gesundheitswesen werden in dem verabschiedeten Gesetz nicht mehr in der Weise unter Generalverdacht korruptiven Verhaltens gestellt, wie dies ursprünglich einmal vorgesehen war“, erklärte KBV-Vorsitzender Andreas Gassen nach Verabschiedung des Gesetzes. „Die Umsetzung des Gesetzes werden wir aber genau beobachten, ob hier wünschenswerte Kooperationen tatsächlich nicht gefährdet sind“, so Gassen weiter.
Auch die Mediziner Initiative „MEZIS e.V. - Mein Essen zahl ich selbst“ begrüßt die Entscheidung für ein Anti-Korruptionsgesetz. „Das Gesetz ist ein erster Erfolg, doch es bleibt sehr viel zu tun, damit korrupte Verhaltensweisen im Gesundheitswesen wirklich zurückgedrängt werden“, so Christiane Fischer, Ärztliche Geschäftsführerin des Vereins. © bee/aerzteblatt.de

Nachrichten zum Thema
