Medizin
Spinalstenose: Spinale Fusion in Studien ohne (große) Vorteile
Freitag, 15. April 2016
Uppsala/Burlington – Die operative Dekompression zur Behandlung der Spinalkanalstenose wird immer häufiger mit einer Fusion der benachbarten Wirbelkörper kombiniert, um einer Destabilität der Wirbelsäule vorzubeugen. Zwei randomisierte klinische Studien im New England Journal of Medicine 2016; 374:1413-1423 und 1424-1434) können jedoch selbst bei einer Spondylolisthesis keine großen Vorteile für die Fusion erkennen, die die Dauer der Operation deutlich verlängert und die Kosten erhöht.
Die operative Standardbehandlung der degenerativen Spinalkanalstenose besteht in der teilweisen oder kompletten Entfernung der Wirbelbögen in einem oder mehreren Wirbeln. Die dadurch erzielte Öffnung des Wirbelkanals führt zu einer Druckentlastung (Dekompression) der Rückenmarksnerven, was beispielsweise in der SPORT-Studie langfristig die Behandlungsergebnisse gegenüber einer rein medikamentösen Therapie verbessert hat.
Die Operation gefährdet jedoch im Prinzip die Stabilität der Wirbelsäule. Dies gilt insbesondere, wenn es zu einer Spondylolisthesis gekommen ist, also dem Abgleiten eines Wirbels (zumeist) nach vorne. Die meisten Chirurgen betrachten dies als eine zwingende Indikation für eine Fusionsoperation. In den USA wird bereits jede zweite Dekompression mit einer Fusionsoperation kombiniert. Bei einer Spondylolisthesis beträgt der Anteil 96 Prozent.
Die Beweislage für den klinischen Nutzen einer Fusionsoperation ist jedoch begrenzt. Es gab in den letzten Jahren mehrere Negativstudien und eine Analyse der US-Medicare-Daten kam zu dem Ergebnis, dass neben erhöhten Kosten auch die Operationsrisiken höher sein können. Jetzt stellen zwei Arbeitsgruppen aus Schweden und den USA Ergebnisse aus randomisierten klinischen Studien vor.
Die Swedish Spinal Stenosis Study hat an sieben Kliniken insgesamt 247 Patienten mit Spinalkanalstenose auf eine Dekompression mit oder ohne Wirbelkörperfusion randomisiert. Darunter waren 135 Patienten mit Spondylolisthesis. Primärer Endpunkt waren die Rückenschmerzen der Patienten zwei Jahre nach der Operation. Die Bewertung erfolgte mit dem Oswestry Disability Index (ODI), der die Auswirkungen der Rückenschmerzen auf das Alltagsleben abfragt.
Wie Peter Försth von der Universität Uppsala und Mitarbeiter jetzt berichten, hat die Fusion die Behandlungsergebnisse nicht verbessert. Die mittleren ODI-Scores haben sich nach zwei Jahren in beiden Gruppen im gleichen Ausmaß verbessert und im 6-Minuten-Gehtest erreichten die Patienten eine ähnliche Wegstrecke. Forst konnte auch zwischen den Patienten mit und ohne Spondylolisthesis keine Unterschiede feststellen.
Die Fusionsoperation verlängerte jedoch die Dauer des Krankenhausaufenthaltes von durchschnittlich 4,1 auf 7,4 Tage. Die Operationszeiten waren länger, der Blutverlust größer, und die Kosten der Operation höher. Während einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 6,5 Jahren mussten 22 Prozent der Patienten mit Fusion und 21 Prozent ohne Fusion erneut operiert werden.
Die kleinere Greenwich Lumbar Stenosis Study (SLIP) hat 66 Patienten mit Spinalkanalstenose und einer (nicht beweglichen) Spondylolisthesis auf die beiden Operationen randomisiert. Der primäre Endpunkt war hier die Lebensqualität im Abschnitt des SF 36-Fragebogens zur physischen Gesundheit. Wie Zoher Ghogawala vom Lahey Hospital & Medical Center in Burlington/Massachusetts und Mitarbeiter berichten, erzielte die zusätzliche Fusion hier einen leichten, nach Einschätzung von Ghogawala jedoch klinisch relevanten Vorteil.
Auch die Zahl der Reoperationen (14 versus 34 Prozent) war im Verlauf der vierjährigen Nachbeobachtungszeit geringer. Dies könnte aber daran liegen, dass Ärzte nach einer Fusionsoperation zurückhaltender in der Indikationsstellung zu einer neuen Operation sind als nach einer reinen Dekompression, gibt Wilco Peul von der Universität Leiden zu bedenken. Für den Editorialisten ist das Argument auf „Nummer sicher zu gehen“ allein kein Grund für eine Operation, die Kosten und möglicherweise das Komplikationsrisiko erhöht.
Wichtig ist der Hinweis, dass in den Studien Patienten mit einer Instabilität der Wirbelsäule ausgeschlossen waren. Bei Patienten mit instabiler Spondylolisthesis gilt eine Fusionsoperation immer als indiziert. © rme/aerzteblatt.de

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