Politik
Pflege: Abrechnungsbetrug nur Spitze des Eisbergs?
Mittwoch, 20. April 2016
Berlin – Der Skandal um Abrechnungsbetrug durch russische ambulante Pflegedienste könnte sich ausweiten. Das hält die Bundesregierung für möglich. „Wir wissen nicht, um welches Ausmaß es geht“, sagte der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, heute der Passauer Neuen Presse. Es könne sein, dass bisher nur die Spitze des Eisberges zu sehen sei. In einem Brief an den GKV-Spitzenverband fordert Laumann die Kassen auf, schnellstmöglich Vorschläge zu machen, wie die bestehende Gesetzeslücke geschlossen werden kann. Das bestätigt ein Sprecher auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes.
Der Pflegebeauftragte drückt darin auch seine Verwunderung aus, warum der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) nicht früher auf das Problem aufmerksam gemacht hat. Zuvor hatte GKV-SV-Vorstand Gernot Kiefer beklagt, dass die Kassen keine Möglichkeit für unangemeldete Prüfungen in der Krankenpflege hätten. Vor einem Jahr hat die Bundesregierung solche Kontrollen bei der Pflegeversicherung eingeführt, dies aber für die Krankenkassen nicht vorgesehen.
Für die häusliche Krankenpflege gelten die verschärften Regelungen daher nicht. Der Abrechnungsbetrug zeige nun, dass in engen Grenzen solche Kontrollmöglichkeiten auch „im Bereich der Krankenkassen zur Verfügung stehen müssen“, so Laumann. Der Pflegebeauftragte mahnt zugleich an, dass „wegen einer russischen Mafia“ nicht alle ambulanten Pflegedienste unter Generalverdacht gestellt werden dürfen.
Am Wochenende waren Einschätzungen des Bundeskriminalamts (BKA) bekannt geworden, wonach den deutschen Sozialkassen mit betrügerischen Abrechnungen russischer Pflegedienste erhebliche finanzielle Schäden entstehen. Die fraglichen Pflegedienste rechnen demnach mit gefälschten Pflege-Protokollen nicht erbrachte Leistungen ab. Berichten zufolge schätzen die gesetzlichen Krankenkassen den Schaden auf mindestens eine Milliarde Euro im Jahr.
Die SPD-Gesundheitsexpertin Hilde Mattheis ruft dazu auf, Sozialbetrug in der Pflege konsequent zu verfolgen. „Wir dürfen es nicht zulassen, dass den kommunalen Sozialhilfeträgern und gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen dadurch beträchtliche finanzielle Schäden entstehen und das Vertrauen in die Pflege zerstört wird“, erklärt Mattheis. „Wenn unser Sozialsystem missbraucht wird, ist das rigoros zu ahnden“, betont die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Elisabeth Scharfenberg. © may/afp/dpa/aerzteblatt.de

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