Medizin
Pembrolizumab bei fortgeschrittenem Merkelzellkarzinom wirksam
Mittwoch, 20. April 2016
Seattle - Das Merkelzellkarzinom, ein seltener aber besonders aggressiver Hautkrebs, spricht offenbar gut auf eine Immuntherapie an. In einer Phase 2-Studie, deren Ergebnisse auf dem Jahreskongress der Jahreskongress der American Association for Cancer Research in New Orleans vorgestellt und im New England Journal of Medicine (2016; doi: 10.1056/NEJMoa1603702) publiziert wurden, erreichte jeder zweite Patient unter einer Therapie mit dem PD 1-Inhibitor Pembrolizumab eine Remission, die deutlich länger anhielt als nach einer Chemotherapie.
Das Merkelzellkarzinom ist 35-mal seltener als ein Melanom, führt aber dreimal so häufig zum Tod. In Deutschland erkranken jährlich nur wenige hundert Patienten. In der Regel sind es ältere Menschen oder solche mit einer bekannten Immunschwäche. Der Tumor, der in den Merkelkörperchen – den Drucksensoren für das Vibrationsempfinden in der Haut – entsteht, spricht zwar im metastasierten Stadium auf eine Chemotherapie an. Der Erfolg ist jedoch nur von kurzer Dauer.
Die meisten Merkelzellkarzinome werden durch das 2008 entdeckte Merkelzell-Polyomavirus ausgelöst. Virus-induzierte Tumore lösen in der Regel eine starke Immunabwehr aus. T-Zellen würden die Tumorzellen rasch vernichten. Merkelzellkarzinome verhindern dies, indem sie das Protein PD-L1 freisetzen. Es bindet am PD 1-Rezeptor von aktivierten T-Zellen. Die Bindung löst einen programmierten Zelltod aus. Die T-Zellen vernichten sich selbst, statt den Tumor anzugreifen.
Seit dem letzten Jahr ist in Europa der Antikörper Pembrolizumab zugelassen. Er interagiert mit den PD 1-Rezeptor auf T-Zellen und hemmt so die Bindung der Liganden. Dadurch wird die Immunantwort gegen die Krebszellen angeregt. Pembrolizumab ist in Deutschland seit dem letzten Jahr zur Monotherapie des fortgeschrittenen Melanoms zugelassen. Derzeit wird untersucht, ob der Antikörper auch bei anderen immunaktiven Tumoren wirksam ist.
Paul Nghiem von der Universität des Staates Washington in Seattle und Mitarbeiter haben in einer offenen Studie die Wirksamkeit von Pembrolizumab bei 26 Patienten mit Merkelzellkarzinom untersucht. Der Tumor war nach der chirurgischen Entfernung rezidiviert oder er hatte bei der Diagnose bereits Fernmetastasen gesetzt. Bei 17 Patienten wiesen die Forscher das Onkogen MCPyV im Tumor nach. Es zeigt eine Auslösung durch das Merkelzell-Polyomavirus an.
Alle Patienten erhielten anstelle einer Chemotherapie regelmäßige Infusionen mit Pembrolizumab (2 mg/kg Körpergewicht, alle drei Wochen). Bei zehn Patienten kam es zu einer teilweisen und bei vier weiteren sogar zu einer kompletten Remission des Tumors. Seit Beginn der Behandlung sind 7 bis 53 Wochen vergangen und laut Nghiem ist es bisher erst bei 2 der 14 Patienten zu einem Rückfall des Tumors gekommen. Das rezidivfreie Überleben ist damit bereits jetzt länger als nach einer Chemotherapie, wo es im Durchschnitt bereits nach drei Monaten zum Rückfall kommt.
Da die Studie keine Vergleichsgruppe hatte, ist dieser Vorteil zwar noch mit einem Fragezeichen versehen. Die Immuntherapie könnte jedoch besser verträglich sein als die Chemotherapie. Zwar kommt es bei den meisten Patienten zu Nebenwirkungen (am häufigsten ist eine Abgeschlagenheit). Schwere Komplikationen sind jedoch bisher nur bei zwei Patienten aufgetreten. Einer erkrankte an einer Myokarditis, bei dem anderen kam es zu einem gefährlichen Anstieg der Leberenzyme. Beide Patienten sind laut Nghiem nach einer Steroidbehandlung außer Gefahr und trotz Absetzen von Pembrolizumab weiter in Remission. Die gute Wirkung lässt Nghiem hoffen, dass Pembrolizumab noch bei weiteren durch Viren ausgelösten Tumoren wirksam sein könnte. Schätzungen zufolge wird weltweit jeder fünfte Krebs durch Viren verursacht.
Beim Merkelzellkarzinom gibt es große Unterschiede zwischen den durch MCPyV und den durch andere Ursachen (etwa UV-Licht) induzierten Tumoren. Bei den MCPyV-negatien Tumoren enthielten die Krebszellen im Durchschnitt 1.121 Mutationen, bei den MCPyV-positiven Tumoren waren es nur 12,5 Mutationen. Beide Varianten des Merkelzellkarzinoms scheinen aber gleich gut auf eine Therapie mit Pembrolizumab anzusprechen. © rme/aerzteblatt.de

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