Ärzteschaft
Online-Therapie von traumatisierten Kriegsopfern mit großer Wirkung
Freitag, 22. April 2016
Berlin – Die Wissenschaftlerin und Psychotherapeutin Christine Knaevelsrud hat heute den Diotima-Ehrenpreis der deutschen Psychotherapeutenschaft erhalten. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) ehrt damit in diesem Jahr eine Psychotherapeutin, die sich für die Versorgung von traumatisierten Kriegs- und Folteropfern sowohl in Deutschland als auch in arabischsprachigen Krisenregionen engagiert.
„Viele der Menschen, die Krieg, Gewalt und Folter erlebt haben, sind traumatisiert und brauchen professionelle Hilfe“, betonte BPtK-Präsident Dietrich Munz bei der Laudatio in Berlin. „Professorin Knaevelsrud hat mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit und ihrem versorgungspolitischen Engagement große Dienste geleistet, um traumatisierten Menschen nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Krisenregionen selbst zu helfen. Lange bevor Flüchtlinge zu einem dringenden politischen Thema wurden, hat sie sich für deren psychotherapeutische Versorgung eingesetzt und damit sogar auch Hilfsbedürftige im irakischen Bürgerkrieg erreicht.“
Christine Knaevelsrud ist Psychologische Psychotherapeutin und Professorin für Klinisch-Psychologische Intervention an der Freien Universität Berlin. Von 2007 bis 2010 leitete Knaevelsrud die Forschungsabteilung am Behandlungszentrum für Folteropfer in Berlin. Dort war sie maßgeblich an der Entwicklung, Evaluierung und Verbreitung der internetbasierten psychologischen Intervention „Ilajnafsy" für traumatisierte Menschen im Irak beteiligt. Patienten werden von arabischsprachigen Therapeuten über das Internet angeleitet, sich schriftlich mit dem traumatischen Ereignis auseinanderzusetzen und es neu zu verarbeiten.
„Bei der relativ kurzen Intervention von Ilajnafsy – maximal zehn Behandlungssitzungen a 45 Minuten via Skype sind vorgesehen – konnten wir enorme Wirksamkeiten feststellen“, betonte Knaevelsrud bei der Preisverleihung. Das Team aus 20 Therapeuten in Berlin und im ägyptischen Alexandria antwortet innerhalb von 48 Stunden auf die geschriebenen Berichte der Patienten. 87 Prozent der befragten Patienten, die die Online-Therapie beendet hatten, fanden sie effektiv und stellten eine Reduzierung ihrer Symptome fest. Die Behandlungsnachfrage aus Ägyten, Irak, Libanon, Palästina und Syrien sei sehr hoch, berichtete die Wissenschaftlerin: rund 3.000 Anfragen in den letzten zwölf Monaten.
Knaevelsrud wies jedoch auch auf die Schwierigkeiten hin, die Online-Psychotherapie in Krisenregionen mit sich bringt: die instabile Sicherheitslage, denen die Patienten ständig ausgesetzt sind; die instabile Stromversorgung beziehungsweise Internetverbindung. Zudem gebe es keine Möglichkeiten die Patienten zu überweisen, weil die psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung in den Ländern kaum vorhanden sei.
Der Diotima-Ehrenpreis der deutschen Psychotherapeutenschaft wird einmal im Jahr an Personen oder Organisationen verliehen, die sich in besonderem Maß um die Versorgung psychisch kranker Menschen verdient gemacht haben. © PB/aerzteblatt.de

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