Medizin
Therapieresistente Epilepsie-Patienten: Anfälle bis zu vier Stunden vorher erkennen
Dienstag, 26. April 2016
Bonn – Bei etwa einem Drittel der Epilepsiepatienten lassen sich die Anfälle im Gehirn nicht klar lokalisieren. Häufig ist ein komplexes System aus mehreren Anfallsherden beteiligt, weshalb sich die Betroffenen kaum operativ oder medikamentös behandeln lassen. Erstmals ist es nun Wissenschaftlern der Klinik für Epileptologie des Universitätsklinikums Bonn bei diesen Patienten gelungen, Vorboten von Anfällen bereits Stunden im Voraus nachzuweisen. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Scientific Reports vorgestellt (2016; doi: 10.1038/srep24584).
„Es zeigte sich, dass sich epileptische Anfälle auch bei den therapieresistenten Patienten mit mehreren Anfallsherden bis zu vier Stunden im Voraus relativ gut vorhersagen ließen“, berichtet Erstautor Klaus Lehnertz. Das eigentlich Überraschende der Elektroenzephalografie-Untersuchung war jedoch, dass die Veränderungen der Wechselwirkungsmuster nicht in den Gehirnregionen gemessen wurden, in denen sich später die epileptischen Anfälle ereigneten, sondern im scheinbar gesunden Nervenzellgewebe.
Bei den therapierbaren Erkrankten fanden die Arrhythmien der Nervenzellen hingegen in den bereits vorher identifizierten Anfallsherden statt. Insgesamt hatten die Bonner Forscher 16 Patienten, die unter einer therapieresistenten Epilepsie mit vielen voneinander unabhängigen Anfallsherden litten, mit 20 Erkrankten verglichen, bei denen sich die Anfallsherde gut eingrenzen und behandeln ließen.
„Dass gesundes Gehirngewebe im Vorfeld von epileptischen Anfällen bei therapieresistenten Patienten eine Rolle spielt, ist zunächst ein sehr überraschender Befund“, sagte Christoph Helmstaedter vom Universitätsklinikum Bonn. „Es gibt jedoch schon länger Hinweise darauf, dass sich Anfälle auch durch mentale Aktivitäten auslösen und auch unterdrücken lassen.“ Diese Resultate bieten damit bislang nicht bekannte Ansatzpunkte für neue Therapien. Ein möglicher Weg wäre zum Beispiel, die Nervenzellen außerhalb der bekannten Anfallsherde zu beeinflussen, so dass keine Gehirnregionen mehr aus dem Takt geraten und damit Anfälle bereits im Vorfeld verhindert werden.
Bei nicht therapierbaren Patienten sind die Anfallsvorhersagen meist der einzige Ansatzpunkt, durch neue Verfahren Arrhythmien der Gehirnregionen abzuwenden. Die Anfallsvorhersage stellt zurzeit aber noch immer eine Herausforderung dar. „Bei etwa zwei Drittel der Patienten gelingt es uns, epileptische Anfälle zu prognostizieren“, sagt der Physiker Lehnertz. Hier besteht also weiterer Forschungsbedarf für genauere Verfahren.
© gie/idw/aerzteblatt.de

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