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Politik

Bundesregierung bringt Reform für mehr Behindertenrechte auf den Weg

Dienstag, 26. April 2016

© dpa

Berlin – Mehr als zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland sind schwerbehindert. Seit Jahren warten sie auf einen Durchbruch für mehr Rechte. Nun soll es endlich so weit sein. Nach monatelangen Verhandlungen gibt es einen mehr als 360 Seiten starken Entwurf für das Bundesteilhabegesetz aus dem Bundessozialministerium. Jetzt sendete das Bundeskanzleramt das von Ressortchefin Andrea Nahles (SPD) angestrebte grüne Licht für die weitere Abstimmung in der Regierung. Ein Kabinettsbeschluss und das weitere normale Gesetzesverfahren sollen folgen.

Offene Fragen gibt es vor allem noch bei den Finanzen. Bis 2020 sind in dem Entwurf Mehrausgaben für den Bund von mehr als 1,5 Milliarden vorgesehen, für Länder und Gemeinden von 350 Millionen Euro. Doch beim Geld ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Dazu soll in der Regierung noch eine Runde gedreht werden, auch mit den Ländern war man sich zuletzt nicht einig.

Menschen mit Behinderung wollen selbstbestimmt leben
Geht es nach Ulla Schmidt (SPD), ist eine schnelle Einigung bitter nötig. Die frühere Gesundheitsministerin ist heute Vizepräsidentin des Bundestags – und Vorsitzende der Lebenshilfe, einer Vereinigung für Menschen mit geistiger Behinderung. „Das Gesetz beschreibt Schritte hin zu einem fundamentalen Umdenken“, sagte Schmidt. Die Eingliederungshilfe solle schrittweise aus der Sozialhilfe geholt werden. Für Menschen mit Behinderung sei das immens wichtig – sie wollten mehr Wahlrecht. „Sie wollen selbst entscheiden, wo und mit wem sie leben, wo und wie sie arbeiten wollen.“ Schmidt wies auch darauf hin, dass in vielen Bereichen etwas getan werden müsse. „Heute haben wir überall Mängel bei einer ziel- und passgenauen Versorgung“, betonte sie.

Eigenes Einkommen sollte nicht auf die Eingliederunghilfe angerechnet werden
Angesetzt werden soll dem Entwurf zufolge an mehreren Stellen. Die Ausgaben für Eingliederungshilfe sind seit 2005 von 11,3 auf 16,4 Milliarden Euro gestiegen. Trotzdem kann es zu Armut führen, wenn man behindert ist und Eingliederungshilfe bezieht. Denn heute darf man nur 2.600 Euro besitzen – alles andere wird angerechnet. Auf bis zu 50.000 Euro soll die Schwelle in Stufen ansteigen, Partnereinkommen sollen freigestellt werden. „Die Erhöhung weist in die richtige Richtung“, sagte Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland. Doch ausreichend sei es nicht. Auch Schmidt meinte, Ziel müsse eine komplette Freistellung des eigenen Einkommens sein.

Die Leistungen für Behinderte sind heute in den Bundesländern oft unterschiedlich – und für die Betroffenen wenig übersichtlich. Oft müssen sie von Hilfeträger zu Hilfeträger laufen – künftig soll einer erstzuständig sein und die Anträge weiterleiten. Ein anderes Beispiel betrifft den Schritt aus den geschützten Werkstätten in den normalen Arbeitsmarkt. Er fällt vielen schwer. Ein „Budget für Arbeit“ für Arbeitgeber soll helfen. Wer Betroffene einstellt, soll einen unbefristeten Lohnkostenzuschuss erhalten.

Nicht alle Pläne stoßen bei Experten auf Zustimmung. Schmidt mahnte, dass Betroffene den Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente nicht länger verlieren dürften, wenn sie den Wechsel aus einer Werkstatt in einen regulären Job wagen. Anderes Beispiel: Leistun­gen für Assistenten zur Mobilität dürften nicht gepoolt werden. „Sonst müssen die Menschen immer warten, bis sie zum Beispiel in die Stadt können.“

Führt das nun auf den Weg gebrachte Gesetz wirklich zu handfesten Verbesserungen? „Es dürfen uns keine Assistenzpersonen vorgeschrieben werden, mit denen wir nicht einverstanden sind“, betonte etwa Uwe Frevert von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben. „Dies verletzt unsere Würde und unsere Intimsphäre.“ Ottmar Miles-Paul, der seit Jahren für Rechte von Behinderten kämpft, sprach vor wenigen Tagen von „einem trügerischen Traum“, dass Behindertenrechte umgesetzt würden. Er sah die Zeit für verstärkte Proteste gekommen.

© dpa/aerzteblatt.de

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