Politik
Psychotherapeutenausbildung: Gemeinsame Lösung mit den Ärzten angestrebt
Dienstag, 26. April 2016
Berlin – Psychotherapie wird von ärztlichen und Psychologischen Psychotherapeuten mit entsprechender Weiterbildung beziehungsweise Ausbildung erbracht. „Psychotherapeuten und Ärzte haben eine gemeinsame Versorgungsverantwortung“, erklärte Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) anlässlich des 28. Deutschen Psychotherapeutentages, der am vergangenen Wochenende in Berlin stattfand. „Bei der Weiterentwicklung der Psychotherapie sollten wir deshalb zusammenarbeiten.“
Mit der Reform des Psychotherapeutengesetzes soll die Qualifizierung der heutigen Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten anders aufgebaut werden. Das Bundesgesundheitsministerium arbeitet derzeit an den Eckpunkten für eine solche Reform. Künftig sollen sie in einem Psychotherapiestudium mit einem Staatsexamen und einer anschließenden Weiterbildung qualifiziert werden. „Diese Struktur hat sich bei den Ärzten bewährt“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. Nach dem Studium soll sich eine Weiterbildung zum Fachpsychotherapeuten anschließen.
Selbstständige Patientenversorgung erst nach Weiterbildung zum Fachpsychotherapeuten
Die Approbation kann nach dem Staatsexamen erworben werden. Sie berechtigt aber nicht zur psychotherapeutischen Behandlung von Kassenpatienten. Dies soll erst dem Fachpsychotherapeuten für Erwachsene oder für Kinder und Jugendliche möglich sein. Erst der Fachpsychotherapeut soll selbstständig als Vertragspsychotherapeut oder im Krankenhaus tätig werden. „Damit bleiben die Grundlagen für eine gute Kooperation mit Hausärzten und Fachärzten auch in Zukunft erhalten“, betonte der BPtK-Präsident.
Auch künftig sollten Ärzte und Psychotherapeuten mit ihren jeweiligen spezifischen Kompetenzen zur psychotherapeutischen Versorgung beitragen. „Die Fachgebiets- und Zusatzbezeichnungen für Psychotherapeuten sollen so gewählt werden, dass der Patient problemlos erkennt, wer ihm welche Leistung anbietet“, kündigte Munz an.
Einheit der Psychotherapie bewahren
Es gehe um ein gemeinsames Verständnis von Psychotherapie. Daher gelte es bei aller Profilbildung und Spezialisierung, die Einheit der Psychotherapie zu bewahren. Die Heilberufskammern als Verantwortliche für die Weiterbildung können dazu in besonderer Weise beitragen. „Ich gehe davon aus, dass die Bundespsychotherapeutenkammer und die Bundesärztekammer eine gute Lösung finden werden, wie sie gemeinsam die Einheit in der Vielfalt der Psychotherapie und gleichzeitig deren hohe Qualität in der ambulanten und stationären Versorgung bewahren“, so Munz. © pb/aerzteblatt.de

Herr Munz als Wolf im Schafspelz
Fakt sind folgende Ansprüche der Kammer von Herrn Munz:
1. „Psychotherapeut“ soll sich künftig nur noch derjenige nennen dürfen, der das neue pseudo-psychotherapeutische Studium absolviert hat. Ärzte und andere Berufe sind ausgeschlossen.
2. “Psychotherapie“ soll künftig das sein, was dieser neu erfundene Psychotherapeut tut, der eine Psychotherapieausbildung heutigen Standards nicht absolviert hat.
Konsequenz: für eine einzelne Berufsgruppe soll ein Monopol auf die Berufsbezeichnung „Psychotherapeut“ und auf die Ausübung der Psychotherapie geschaffen werden. Wie der Wolf, der Kreide gefressen hat, beschwört Herr Munz die Einheit der Psychotherapie. Dabei ist Einheit der Psychotherapie genau das, was wir heute haben, nämlich Psychotherapie durch Ärztliche Psychotherapeuten, Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Würde Herr Munz es ehrlich meinen, müsste er diese heutige Einheit in Vielfalt nicht zerschlagen. Das geplante Monopol ist genau das Gegenteil.
Im Hinblick auf Qualität und Patientenschutz ist der geplante neue Heilberuf ein dramatischer Rückschritt:
1. Heilberuf mit allgemeiner Approbation und umfassender, quasi-ärztlicher Zuständigkeit im Gesundheitswesen – aber ohne medizinische Kenntnisse und Erfahrungen.
2. Psychotherapeut – aber ohne psychotherapeutische Kenntnisse und Erfahrungen in einem anerkannten wissenschaftlichen Verfahren.
Eine weitere, völlig offene Frage ist die Finanzierung dieses fragwürdigen Projektes. Wer soll das bezahlen?

Glauben Ärzte wirklich alles?
Erstens: Die Approbation könne – analog dem ärztlichen Aus- und Weiterbildungsmodell - nach dem Staatsexamen erworben werden. Sie berechtige aber nicht zur Ausübung von Psychotherapie. Die Wahrheit steht in den Eckpunkten zur Approbationsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer. Wie zu erwarten, soll auch diese Approbation eine berufsrechtlich eindeutige Berufserlaubnis darstellen. Wörtlich: „Ziel der Ausbildung sind wissenschaftlich und praktisch qualifizierte Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die zu eigenverantwortlicher und selbständiger psychotherapeutischer Tätigkeit […] befähigt sind.“ Was sollen die Ärzte eigentlich glauben?
Zweitens: Die Einheit der Psychotherapie in der Medizin soll bewahrt werden!
Damit greift der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer sehr unerwartet eine Forderung der Ärzteschaft auf, die die Sorge geäußert hat, dass der Patientenschutz nicht gewährleistet ist. Angesichts eines zukünftigen Approbierten Psychologischen Psychotherapeuten, der keine Fachkunde in einem wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren besitzen soll und auch nicht kann, könnte ein Patient nicht mehr wissen, ob er einem Psychotherapeuten gegenüber sitzt, der tatsächlich einer ist oder einem, der sich nur so nennt.
Warum sollte allein die Beschwörung der Einheit der Psychotherapie die Ärzte wirklich beruhigen?
Glaubwürdig wäre dieses Statement doch nur, wenn eine andere Bezeichnung für den Absolventen des Studiums angeboten würde, die nicht den Eindruck erweckt, dass da ein Psychotherapeut daherkommt, z.B. Approbierter Klinischer Psychologe oder Berater o.ä. Dann würde kein Spezialistentum vorgetäuscht und die Einheit der Psychotherapie in der Medizin bliebe gewahrt. Ein Arzt behauptet doch auch nicht nach seiner Approbation, die ihn als Generalisten der Medizin ausweist, er sei ein Internist oder Chirurg.
Die Pläne, die in der Medizin einheitliche Legaldefinition der Psychotherapie im Sinne der Trivialisierung psychotherapeutischer Leistungen zu ändern, müsste glaubwürdig verzichtet werden.
Auch Ehrlichkeit im Hinblick auf eigentlichen Absichten der Novellierung täte not. Tatsächlich soll doch ein neuer Beruf eines in der Breite der Medizin einsetzbaren, frei verfügbaren und vor allem billigeren Generalisten neben dem Arzt und am Arzt vorbei entstehen, der für das Psychosoziale überall in der Medizin zuständig sein könnte. Wenn man das politisch so will, sollte man es gesamtgesellschaftlich begründen und offen diskutieren. Das wäre aber eine Diskussion über die Zukunft der Medizin – nämlich wie weit soll Ökonomisierung und Industrialisierung der Medizin gehen und welch Arbeitskräfte braucht sie? Jedenfalls sollte man nicht den Beruf des Psychotherapeuten auf ein unsägliches Niveau herabstufen.

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