Politik
Ärztemangel: KVen und Kommunen müssen zusammenarbeiten
Freitag, 29. April 2016
Berlin – Kommunen sind als Betreiber von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) nur bedingt geeignet. Dennoch können sie bei der Gestaltung der medizinischen Versorgung der Zukunft eine größere Rolle spielen, als sie es heute vielfach tun. Das sind zwei der Ergebnisse einer Fachtagung des Bundesverbandes Managed Care (BMC), der gestern in Berlin stattfand.
Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz wurde es den Kommunen ermöglicht, selbst MVZ zu gründen. Bislang ist dies jedoch kaum geschehen. „Wir müssen darüber nachdenken, warum die Kommunen die Möglichkeit nicht nutzen, die wir ihnen gegeben habe“, sagte Roy Kühne (CDU), Mitglied des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags. Er könne jedoch die Kommunen durchaus verstehen, die sagten, sie wollten das unternehmerische Risiko nicht eingehen, das mit der Gründung eines MVZ verbunden ist. „Man könnte hier über eine Anschubfinanzierung nachdenken, so wie es ja auch bei den e-Autos geschehen ist“, sagte er. Allerdings sei es gar nicht sicher, ob die Kommunen auch Ärzte fänden, wenn sie in einer ländlichen Region ein MVZ gegründet haben.
Kommune kann auch haftbar gemacht werden
„Wenn eine Kommune als Träger eines MVZ auftritt, muss sie auch wirtschaftlich die Verantwortung übernehmen. Wie jeder Vertragsarzt auch, kann sie dann zum Beispiel für Behandlungsfehler haftbar gemacht werden“, erklärte Horst Ritter, Rechtsanwalt bei der Kanzlei „Ehlers, Ehlers & Partner“. Er bezeichnete es als „interessantes Novum“, dass es der Gesetzgeber den Kommunen nun ermöglicht habe, über die Gründung von MVZ auch im ambulanten Bereich aktiv zu werden. Es werde allerdings noch einige Zeit dauern, bis sie dort Fuß gefasst hätten. In jedem Fall, empfahl Ritter, sollten die Kommunen Kontakt mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) aufnehmen, bevor sie aktiv werden, um die Probleme im Dialog zu lösen.
Dies bestätigte der Vorstandsvorsitzende der KV Niedersachsen, Mark Barjenbruch: „Wir haben in der Gesundheitsregion Niedersachsen die Erfahrung gemacht, dass man viel weiter kommt, wenn sich KVen und Kommunen kennenlernen. Sonst schaut jeder nur auf seine Zuständigkeiten und zieht sich darauf zurück. Wenn man die Menschen kennt, ist man auch eher an einem gemeinsamen Projekt interessiert.“
Sögel: Darlehen für den Wohnungsbau
Die Aufgabe müsse es sein, so Barjenbruch weiter, dass „man den Ort so attraktiv macht, dass Ärzte dort wohnen und arbeiten wollen“. Wichtig sei dabei auch, dass der Lebenspartner des Arztes eine Arbeit findet. „Diese Aufgabe kann man besser lösen, wenn man mit dem Bürgermeister zusammenarbeitet, der sich vor Ort auskennt, als wenn man den Job als KV alleine regeln müsste“, so Barjenbruch.
Ein Beispiel für eine Zusammenarbeit zwischen KV und Kommune ist der Ort Sögel im niedersächsischen Emsland. Hier hat die KV in Kooperation mit der Kommune eine KV-Eigeneinrichtung gegründet. Um Ärzte für die Arbeit in der Region zu interessieren, hat der Ort noch weitere Maßnahmen ergriffen. „Wir haben 2010 damit begonnen, Angehörigen von Heil- und Pflegeberufen Darlehen für den Wohnungsbau zu gewähren“, erklärte der Bürgermeister von Sögel, Günter Wigber.
„Zwei Hausärzten und drei Fachärzten haben wir dabei jeweils ein Darlehen von 40.000 Euro gegeben. Damit wollten wir sie auch an den Wohnort binden.“ Zudem seien Zuschüsse für einen Praxisumbau in Höhe von insgesamt 109.000 Euro gewährt worden. „Wir haben darüber hinaus einen Headhunter für 35.000 Euro beauftragt“, so Wigbers weiter. „Das hat aber nichts gebracht.“
Weiterhin hat der Ort vier Medizinstudierenden Stipendien in Höhe von 350 Euro pro Monat gewährt. Dafür haben sich die Studierenden bereit erklärt, nach ihrer Ausbildung drei beziehungsweise fünf Jahre in der Gemeinde zu arbeiten. „Zwei von ihnen studieren übrigens in Kluj in Rumänien, weil sie in Deutschland keinen Studienplatz bekommen haben“, erzählte Wigbers.
„Mir blutet das Herz, wenn junge Leute aus unserer Gemeinde Medizin studieren möchten, aber dafür nach Rumänien gehen müssen.“ Denn dies seien die angehenden Ärzte, die später in ländlichen Regionen arbeiten wollten. Wigbers plädierte in diesem Zusammenhang dazu, die Zahl der Studienplätze in Deutschland zu erhöhen.
Sonderbedarfsregelung bewährt sich
Schließlich lobte er die KV Niedersachsen und die Krankenkassen des Landes dafür, dass sie im Zulassungsausschluss einen Sonderbedarf für die Region im Bereich der Dermatologie erkannt hätten. Deshalb könne nun ein Dermatologe in der Gemeinde arbeiten, der dringend gebraucht werde. Mit der im Jahr 2013 beschlossenen Bedarfsplanungs-Richtlinie ist es den Zulassungsausschüssen möglich, solche Sonderbedarfe zu erkennen.
Der Vorstandsvorsitzende des BMC, Volker Amelung, wies darauf hin, dass mittlerweile eine Vielzahl von unterschiedlichen Instrumenten zur Verfügung stände, um Ärzte für die Arbeit in ländlichen Regionen zu interessieren. „Die KVen haben ein breites Portfolio an Instrumenten, das sie auch nutzen“, sagte Amelung. „Man kann den KVen nicht vorwerfen, dass sie nichts tun.“ © fos/aerzteblatt.de

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