Ärzteschaft
Neurologen und Psychiater warnen vor langfristigen Traumafolgen
Montag, 2. Mai 2016
Köln – Die langfristigen Folgen wiederholter traumatischer Erfahrungen zum Beispiel bei Kriegsflüchtlingen werden immer noch unterschätzt. Darauf hat der Spitzenverband ZNS (SPiZ) am vergangenen Wochenende anlässlich des jährlichen Neurologen- und Psychiatertages in Köln hingewiesen.
Trauma- und Gewalterfahrungen hinterließen nicht nur im mentalen Gedächtnis Spuren, sondern veränderten den Aufbau und die Funktion des Gehirns grundlegend, erläuterte Thomas Elbert, Konstanz, einer der Referenten des Treffens. „Was wir erlebt haben, bestimmt die Lesbarkeit des Genoms. Diese sogenannten epigenetischen Effekte werden vererbt und sind bis in die Enkelgeneration nachweisbar“, betonte der Traumaforscher.
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Das menschliche Gehirn ist laut den Referenten des Treffens kein fest verdrahteter Computer. Die Arbeit der rund 86 Milliarden Nervenzellen und ihre Verbindung über vermutlich rund 100 Billionen Synapsen sei vielmehr hochflexibel. Diese sogenannte Plastizität des Gehirns ermögliche es, bis ins hohe Alter zu lernen und kompensiere Ausfälle, zum Beispiel nach einem Schlaganfall oder im Rahmen einer multiplen Sklerose (MS). Aber auch schädigende Einflüsse wie traumatische Erfahrungen könnten die Struktur des Gehirns verändern – dann allerdings zum Negativen.
„Wir müssen zur Kenntnis nehmen, wie dramatisch und nachhaltig traumatische Erfahrungen sind“, sagte der Vorsitzende des SPiZ, Frank Bergmann. Er betonte, dies sei für die Betroffenen und für die entsprechenden Gesellschaften eine große und langfristige Bürde. „Das Wissen um diese Zusammenhänge bedeutet, dass wir uns als Nervenärzte, Psychiater, Neurologen und Psychotherapeuten auch gesamtgesellschaftlich weitaus umfänglicher einmischen und engagieren müssen“, forderte er. © hil/aerzteblatt.de

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