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Medizin

Loperamid: Drogenmissbrauch kann mit Herzstillstand enden

Freitag, 6. Mai 2016

Syracuse/New York – Auf der Suche nach einer Ersatzdroge greifen Opiatabhängige in den USA zunehmend zu dem Durchfallmedikament Loperamid, das durch eine Stimulierung von Opioid-Rezeptoren im Plexus myentericus die Darmperistaltik hemmt. Es häufen sich Zwischenfälle, in denen es unter extremen Überdosierungen zu Herzrhythmusstörungen und zum plötzlichen Herztod kommt.

Das in den 1970er Jahren eingeführte Loperamid gehört zwar pharmakologisch zu den Opioiden. Seine orale Bioverfügbarkeit ist jedoch extrem niedrig. P-Glykoproteine der Bluthirnschranke verhindern zudem, dass die Droge hohe Konzentrationen im Gehirn erreicht. Bei der Behandlung einer Diarrhö treten deshalb keine zentralnervösen Symptome auf.

Seit einiger Zeit tauschen sich Opiatabhängige in einschlägigen Foren darüber aus, wie die pharmakologischen Grenzen überwunden werden können. Die Zahl der Postings sollen sich allein zwischen 2010 und 2011 verzehnfacht haben. Viele nehmen das Durchfallmedikament in der Hoffnung, die Entzugssymptome zu lindern. Andere suchen nach einer euphorischen Wirkung. Ob diese Ziele erreicht werden, lässt sich schwer beurteilen. Die Einträge in Foren sind nicht unbedingt glaubwürdig.

Ein häufiger Tipp sind extrem hohe Dosierungen. Die Einnahme des gesamten Packungsinhalts oder mehr ist offenbar keine Seltenheit. Osama Mukarram vom Texas Tech University Health Sciences Center in Permian Basin berichtete kürzlich in Case Reports in Medicine Volume (2016; doi: 10.1155/2016/4061980) über einen Patienten, der bis zu 192 mg Loperamid am Tag eingenommen hatte. Das sind 96 Tabletten. Die übliche Dosierung bei Durchfallerkrankungen ist eine oder zwei Tabletten.

Eine von Rachel Wightman von der NYU School of Medicine betreute Patientin hatte laut ihrem Bericht in Clinical Toxicology (2016; 10.3109/15563650.2016.1159310) eine Serumkonzentration von 210 ng/ml Loperamid im Blut. Die therapeutische Plasma­konzentration liegt bei 1,2 ng/ml. Damit sind die Grenzen der Verträglichkeit auch bei Loperamid übertroffen.

Die Patienten litten jedoch nicht unter einer Atemdepression oder anderen Risiken einer Opioid-Überdosierung. Es kam vielmehr bei beiden Patienten zu ventrikulären Herz­rhythmusstörungen bis hin zu Torsodes de Pointes, die jederzeit in ein Kammerflimmern abgleiten können. Über zwei Todesfälle berichtet jetzt William Eggleston vom Upstate New York Poison Center in den Annals of Emergency Medicine (2016; doi: 10.1016/j.annemergmed.2016.03.047). Bei einem Patienten waren postmortal 77 ng/ml, bei dem anderen 140 ng/ml Loperamid gemessen worden, wobei die Konzentration infolge einer postmortalen Verteilung möglicherweise schon niedriger war als zum Todeszeitpunkt.

Die Ursache für die ventrikulären Herzrhythmusstörungen ist vermutlich eine Verlängerung des QT-Intervalls, was das Reizleitungssystem in der Phase der Repolarisation anfällig macht für eine vorzeitige Erregung. Unklar blieb, wie die Abhängigen mit den anderen Nebenwirkungen von Loperamid zurecht gekommen sind. Das Opioid müsste eigentlich eine ausgeprägte Obstipation ausgelöst haben, die in der Regel mit Schmerzen und auch Übelkeit einhergeht.

© rme/aerzteblatt.de

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