Medizin
Ozanimod: Immunmodulator zeigt Wirkung bei Colitis ulcerosa
Montag, 9. Mai 2016
San Diego – Der orale Immunmodulator Ozanimod, der Lymphozyten in den Lymphknoten zurückhält und damit eine Entzündung im Darm abschwächt, hat in einer Phase 2-Studie im New England Journal of Medicine (2016; 374: 1754-1762) bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Colitis ulcerosa eine mäßige Wirkung entfaltet. Der Stellenwert des Wirkstoffes dürfte von der langfristigen Verträglichkeit von Ozanimod abhängen, das einen ähnlichen Wirkmechanismus hat wie Fingolimod, das bei der Multiplen Sklerose eingesetzt wird.
Die Colitis ulcerosa ist eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, die anders als der Morbus Crohn auf die Schleimhaut und den Dickdarm begrenzt ist, die aber häufig schwer zu behandeln ist und die das Leben der Patienten durch ein erhöhtes Darmkrebsrisiko gefährdet. Die Behandlung erfolgt mit Immunsuppressiva und Biologika, die die Entzündungen im Darm dämpfen.
Ozanimod gehört wie Fingolimod zu einer neuen Gruppe von Immunmodulatoren. Beide sind Agonisten am Sphingosin-1-Phosphat Rezeptor Subtyp 1, einem Signalmolekül, das die Verteilung von Lymphozyten im Körper steuert. Beide Mittel begrenzen die Migration von Lymphozyten, die in den Lymphknoten „festgehalten“ werden. Diese stehen dann für Entzündungsreaktionen im Körper nicht zur Verfügung. Fingolimod wurde 2011 zur Vorbeugung von Krankheitsschüben zugelassen. Ozanimod soll jetzt eine ähnliche Wirkung bei der Colitis ulcerosa entfalten.
An der TOUCHSTONE-Studie nahmen 197 Patienten mit Colitis ulcerosa teil. Die Krankheitsaktivität lag zwischen 6 und 12 Punkten auf dem Mayo-Score (der von 0 bis 12 Punkten reicht, ab 6 Punkte liegt eine moderate bis schwere Erkrankung vor), wobei der endoskopische Teilscore mindesten 2 von 3 Punkten erreicht haben musste. Dies entspricht einer moderaten bis starken Colitis. Die Patienten wurden auf drei Arme randomisiert, in denen sie täglich über bis zu 32 Wochen mit Ozanimod 1 mg/die oder 0,5 mg/die oder Placebo behandelt wurden.
Primärer Endpunkt war eine klinische Remission innerhalb von acht Wochen mit einem Mayo-Score von maximal 2 Punkten und einem Subscore nicht über 1 Punkt. Dieses Ziel wurde unter der höheren Dosierung von Ozanimod von 16 Prozent der Patienten und unter der niedrigen Dosierung von 14 Prozent der Patienten erreicht. Der Unterschied zur Placebo-Gruppe, wo es bei 6 Prozent zur Remission kam, war jedoch nicht signifikant, weshalb William Sandborn von der San Diego School of Medicine sich in der Publikation auf die Ergebnisse in den sekundären Endpunkten konzentrierten. Hier kam es zu deutlichen Verbesserungen, die kaum Zweifel an der Wirkung von Ozanimod zulassen.
So kam es bei 57 Prozent beziehungsweise 54 Prozent (in der niedrigeren Dosierung) zu einer deutlichen klinischen Verbesserung mit Abnahme des Mayo Clinic Score um drei oder mehr Punkte oder um 30 Prozent oder mehr sowie zu einem Rückgang der rektalen Blutungen. Die Unterschiede zur Placebo-Gruppe waren hier signifikant. Auch die Abheilung der Mukosa war signifikant verbessert und die histologischen Befunde waren günstiger. Die Vorteile in allen Endpunkten waren auch nach 32 Wochen – unter fortgesetzter Therapie – nachweisbar.
Es bestehen deshalb gute Aussichten, dass Ozanimod auch in den Phase 3-Studien eine Wirkung erzielen wird. Das Schicksal des Wirkstoffs dürfte allerdings mehr von der Sicherheit abhängen, die sich derzeit noch nicht beurteilen lässt. Die Lymphozytenzahl sank unter der Therapie unter den beiden Dosierungen um 49 Prozent beziehungsweise 32 Prozent ab, was langfristig das Risiko von schweren Infektionen steigern könnte. Unter Fingolimod gehörte dazu in Einzelfällen die Reaktivierung von Infektionen des Gehirns mit dem JC Virus, was eine lebensgefährliche progressive multifokale Leukenzephalopathie zur Folge haben kann.
Fingolimod kann auch zu Bradykardien (bei weniger als einem Prozent der Patienten) zu einem AV-Block (bei 4 Prozent) zum Anstieg der Leberenzyme (bei 14 Prozent) und zum Makulaödem führen (bei weniger als 1 Prozent). Ozanimod unterscheidet sich von Fingolimod durch die geringere Aktivierung anderer Sphingosin-1-Phosphat Rezeptor Subtypen. Ob es deshalb verträglicher ist, muss sich in weiteren Studien zeigen.
Der Hersteller lässt die Wirksamkeit von Ozanimod übrigens auch bei der Multiplen Sklerose untersuchen. Die kürzlich im Lancet Neurology (2016; 15: 373–381) vorgestellten Ergebnisse der RADIANCE-Studie, einer Phase 2-Studie, zeigen, dass Ozanimod die Zahl der neuen Läsionen in der Kernspintomographie begrenzen kann. © rme/aerzteblatt.de

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