Medizin
PPI: Magensäureblocker beschleunigt Alterung von Endothelzellen
Mittwoch, 11. Mai 2016
Houston – Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI), die zu den am häufigsten verordneten und teilweise rezeptfrei erhältlichen Medikamenten gehören, können die Funktion von Endothelien stören und die Zellalterung beschleunigen. Die in Circulation Research (2016; doi: 10.1161/CIRCRESAHA.116.308807) veröffentlichten Ergebnisse liefern eine plausible Erklärung für die Ergebnisse epidemiologischer Studien, in denen die häufige Einnahme von PPI mit einem erhöhten Risiko von Herzinfarkten, Nierenschäden oder Demenzen assoziiert war.
Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI), die die Säureproduktion im Magen fast komplett hemmen, werden aufgrund ihrer guten Verträglichkeit breit eingesetzt. In Deutschland finden sich gleich mehrere Mittel unter den Top 10 der verordneten Medikamente, zwei Wirkstoffe (Omeprazol und Pantoprazol) sind auch rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Die US-Arzneibehörde FDA schätzt, dass einer von 14 US-Amerikanern bereits PPI angewendet hat und die weltweiten Umsätze sollen bei 13 Milliarden US-Dollar im Jahr liegen.
Seit einiger Zeit häufen sich epidemiologische Hinweise, dass der langfristige Einsatz der Mittel nicht ganz so unbedenklich sein könnte, wie dies lang angenommen wurde. Im letzten Jahr berichteten Forscher der Stanford Universität, dass Langzeit-Anwender von PPI zu 16 bis 21 Prozent häufiger an Herzinfarkten erkranken (PLoS One 2015; 10: e0124653). Nach einer weiteren jüngst veröffentlichten Studie haben langzeitige Anwender auch ein erhöhtes Risiko auf ein chronisches Nierenversagen (JAMA Internal Medicine 2016; doi: 10.1001/jamainternmed.2015.7193). Eine weitere Studie bringt die Mittel mit Demenzerkrankungen in Verbindung (JAMA Neurology 2016; 73: 410-416).
Der gemeinsame Nenner aller drei Erkrankungen könnte eine Schädigung der Blutgefäße sein, der ein Team um John Cooke vom Houston Methodist Research Institute jetzt in Laborexperimenten an Endothelien nachgegangen ist. Endothelien bilden bekanntlich die innere Auskleidung der Blutgefäße und ihre Schädigung kann die Entwicklung der Atherosklerose fördern, die in den Koronargefäßen einen Herzinfarkt, im Gehirn eine Demenz und in den Nieren eine Funktionsstörung zur Folge haben kann.
Die Forscher setzen die Endothelien in Kulturen über längere Zeit dem PPI Esomeprazol in einer der klinischen Anwendung entsprechenden Menge aus, was Funktionsstörungen in den Lysosomen zur Folge hatte. Da die Lysosomen für die zelluläre „Müllentsorgung" zuständig sind, kann dies auf Dauer negative Auswirkungen auf das Überleben der Zelle haben. Tatsächlich können die Forscher Funktionsstörungen der Endothelien und ein beschleunigtes Altern nachweisen, was sich in einem weiteren Experiment in einer Verkürzung der Telomere bemerkbar machte.
Die Ergebnisse liefern laut Cooke eine plausible Erklärung für die epidemiologischen Befunde. Der Forscher weist darauf hin, dass PPI (in den USA) eigentlich nicht für die Daueranwendung zugelassen sind, die jedoch bei immer mehr Patienten (etwa zur Behandlung von Sodbrennen) die Regel ist.
Kritiker glauben, dass 70 Prozent aller PPI-Verordnungen unangemessen sind. Die Studie sollte laut Cooke eine Mahnung sein, die Mittel nicht bedenkenlos zu verschreiben, auch wenn unbestritten ist, dass PPI wirksam sind und benötigt werden. Den Mitteln ist es letztlich zu verdanken, dass Ulkusoperationen am Magen (Billroth-II-Resektion) heute nicht mehr durchgeführt werden. © rme/aerzteblatt.de

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