Medizin
MS-Medikament Mitoxantron könnte Darmkrebs fördern
Freitag, 13. Mai 2016
Würzburg – Das Immunsuppressivum Mitoxantron, das zur Behandlung aggressiver Formen der Multiplen Sklerose (MS) eingesetzt wird, könnte neben dem Leukämie- auch das Darmkrebsrisiko erhöhen. Dies kam in einer einer retrospektiven Kohortenstudie in Neurology (2016; doi: 10.1212/WNL.0000000000002745) heraus.
Mitoxantron, ein zytotoxisches Antibiotikum der Gruppe der Anthracendione, wird seit längerem bei aggressiven Formen der schubförmigen oder chronisch-voranschreitenden Multiplen Sklerose eingesetzt, wenn der Patient auf kein anderes MS-Medikament anspricht. Mitoxantron ist ein Reservemittel, da es kardiotoxisch ist – in früheren Studien kam es bei 12 Prozent zu systolischen Funktionsstörungen – und in seltenen Fällen eine akute myeloische Leukämie (AML) auslösen kann.
Eine retrospektive Analyse von 676 Patienten, die in den Jahren 1994 bis 2007 an der Ambulanz für Multiple Sklerose und andere entzündliche ZNS-Erkrankungen des Universitätsklinikums Würzburg behandelt wurden, bestätigte das erhöhte AML-Risiko. Die im allgemeinen seltene Leukämie wurde bei vier Patienten diagnostiziert, zehnmal häufiger als vom Alter der Patienten her zu erwarten gewesen wäre (standardisierte Inzidenzrate SIR 10,44; 95-Prozent-Konfidenzintervall 3,39-24,36). Noch mehr Patienten erkrankten an Brustkrebs (9 Patienten) und Darmkrebs (7 Patienten). Insgesamt wurde bei 37 Patienten eine Krebserkrankung diagnostiziert, wie das Team um Privatdozent Mathias Buttmann durch Rückfragen bei Patienten, Ärzten und Behörden ermitteln konnte.
Die Mediziner hatten Nachforschungen zu 677 Patienten durchgeführt. Dass sie Daten zu fast allen Patienten recherchieren konnten, erhöht die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse. Die Gefahr von Verzerrungen, die sich aus Informationslücken in retrospektiven Studien leicht ergeben können, wurde minimiert.
Dass 37 Patienten (5,5 Prozent), die mit Mitoxantron behandelt wurden, an Krebs erkrankt sind, bedeutet einen Anstieg um 50 Prozent gegenüber der Allgemeinbevölkerung. Die SIR von 1,50 war mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,05 bis 2,08 signifikant. Auffallend war die Häufung von Darmkrebserkrankungen, die fast dreimal häufiger auftraten, als zu erwarten gewesen wäre (SIR 2,98; 1,20-6,14), während die Brustkrebserkrankungen (SIR 1,39; 0,64-2,64) keine signifikante Häufung darstellen.
Das erhöhte Leukämie- und Darmkrebsrisiko stellt den Einsatz von Mitoxantron bei aggressiven Formen der MS nach Einschätzung von Buttmann nicht infrage, da es keine Alternative gebe. Es gelte jedoch, die Risiken des Medikaments in jedem Einzelfall sorgfältig gegen den erwarteten Nutzen abzuwägen. Tragisch bei den Würzburger Patienten war, dass die Darmkrebserkrankung bei drei der sieben Patienten zu spät entdeckt wurde. Die Patienten starben an dem Krebsleiden, während alle vier Patienten mit AML laut der Publikation erfolgreich behandelt wurden. © rme/aerzteblatt.de

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