Medizin
Spirometrie erkennt COPD nur unzureichend
Montag, 16. Mai 2016
San Francisco – Jeder zweite Raucher, der bei der Spirometrie die Kriterien einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) (noch) nicht erfüllt, leidet unter den Symptomen der Erkrankung und ist von Exazerbationen der Erkrankung bedroht, die eine Behandlung notwendig machen. Dies zeigen die Ergebnisse einer Beobachtungsstudie im New England Journal of Medicine (2016; 374: 1811-1821), die den Wert der GOLD-Kriterien infrage stellen.
Die Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) hat spirometrische Kriterien zur Diagnose der COPD aufgestellt, die auch bei Rauchern angewendet werden. Auf sie entfallen die meisten Erkrankungen. Das Kernkriterium ist ein Abfall des Quotienten aus der Einsekundenkapazität (FEV1) zur forcierten Vitalkapazität (FVC) auf unter 0,70. Nicht wenige Raucher, die dieses Kriterium nicht erfüllen, und deshalb nach den Kriterien der GOLD keine COPD haben, klagen jedoch über typische Atemwegssymptome wie Husten, Sputumproduktion oder Kurzatmigkeit. Eine im letzten Jahr veröffentlichte Analyse der COPDGene (die nach genetischen Ursachen für die häufige Erkrankung sucht) hatte bereits gezeigt, dass viele Raucher, die nach den GOLD-Kriterien „gesund“ sind, Symtome einer COPD haben (JAMA Internel Medicine 2015; 175: 1539-1549).
Die jetzt von Prescott Woodruff von der Universität von Kalifornien in San Francisco und Mitarbeiter vorgestellten Ergebnisse von SPIROMICS („Subpopulations and Intermediate Outcome Measures in COPD Study“) bestätigen dies. Die vom US-National Heart, Lung, and Blood Institute geförderte Studie hatte 2.736 Amerikaner im Alter von 40 bis 80 Jahren untersucht, von denen die meisten aktive und ehemalige Raucher waren.
963 Raucher erfüllten das GOLD-Kriterium der COPD. Zwei Drittel von ihnen waren symptomatisch. Sie hatten einen CAT-Score von 10 oder mehr Punkten. Im CAT-Test bewertet der Patient seine Symptome und Einschränkungen in acht Fragen mit jeweils bis zu fünf Punkten. Dass die meisten Patienten mit spirometrischer COPD Beschwerden haben, war zu erwarten, da die chronische Obstruktion der Atemwege die Luftzufuhr einschränkt und unter anderem die Entwicklung einer Bronchitis begünstigt.
Etwas unerwartet war dagegen, dass auch die Hälfte der 489 Raucher, die mit einem VEF1/FVC-Quotienten von über 0,7 die GOLD-Kriterien der COPD nicht erfüllten, ebenfalls einen CAT-Score von 10 oder mehr hatte, also offenbar unter den Symptomen einer COPD litten. Woodruff kann zeigen, dass die Erkrankung bei diesen Teilnehmern in der Folgezeit deutlich häufiger exazerbierte als bei den asymptomatischen Patienten, die die GOLD-Kriterien nicht erfüllten.
Als Exazerbation wurde eine Behandlung mit Antibiotika oder Glukokortikoiden oder eine ambulante oder stationäre Behandlung wegen Atemwegsbeschwerden gewertet. Symptomatische Patienten hatten im Durchschnitt 0,27 Episoden pro Jahr, bei den asymptomatischen waren es nur 0,08 Episoden pro Jahr. Sie waren den Nichtrauchern (0,03 Episoden pro Jahr) näher als den symptomatischen Patienten.
Die Ergebnisse zeigen, dass die „objektiven“ GOLD-Kriterien viele Erkrankungen mit einem problematischen Verlauf übersehen und dass der „subjektive“ CAT-Fragebogen durchaus die drohende Exazerbation vorhersagen kann. Ein CAT-Score von 10 oder mehr erzielte eine Sensitivität von 75 Prozent und eine Spezifität von 54 Prozent.
In einer „Area under the Curve“-Analyse schnitt der CAT-Score von 10 sogar etwas besser ab als das GOLD-Kriterium. In der hochauflösenden Computertomographie ermittelte Woodruff zudem einen erhöhten Pi10-Wert. Es ist ein Hinweis auf eine Verdickung der Atemwege. Den Beschwerden der Patienten liegen also offenbar pathomorphologische Veränderungen zugrunde.
Die beiden Studien könnten ein Umdenken in der Diagnostik der COPD zur Folge haben. Der CAT-Fragebogen könnte eine sinnvolle Ergänzung zur Spirometrie sein. Interessanterweise stand eine chronische Bronchitis, die neben dem Emphysem die wichtigste klinische Komponente der COPD ist, bei den Beschwerden der Patienten keineswegs im Vordergrund. Symptome wie Engegefühl im Brustkorb, Atemnot und Energieverlust, die im CAT-Test abgefragt werden, müssen deshalb ernst genommen werden, findet Leonardo Fabbri von der Universität Modena im Editorial.
Eine offene Frage ist derzeit noch, ob die Auswertung der Diagnose, die mit dem CAT-Fragebogen verbunden wäre, auch klinische Konsequenzen haben würde. Dies kann nur in randomisierten Studien geklärt werden, in denen Patienten mit Symptomen aber ohne COPD nach den GOLD-Kriterien auf eine Behandlung oder Placebo randomisiert werden müssten. © rme/aerzteblatt.de

Spirometrie oder CAT können keine COPD "erkennenen"!
Nein! Eine COPD wird durch eine ärztliche Untersuchung auf Grund medizinischer Erkenntnisse detektiert. Und da sind wir auch schon beim äußerst dünnen Erkenntnishorizont dieser Studie angelangt: "Clinical Significance of Symptoms in Smokers with Preserved Pulmonary Function" von P. G. Woodruff et al.
http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1505971
besagt nichts anderes, dass eine Syptomenskala des „subjektiven“ CAT-Fragebogen und des CAT-Scores bei Rauchern mit deren chronischer Raucherbronchitis dramatisch schlechter beantwortet wird, als von Nichtrauchern!
Ein Raucher, der nicht raucht, raucht eben nicht und hat eine bessere Lungenfunktion und einen günstigeren CAT-Score. So einfach ist das!
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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