Medizin
Fast jeder zweite Herzinfarkt verläuft stumm
Mittwoch, 18. Mai 2016
Winston-Salem – Fast die Hälfte aller Herzinfarkte wurde in einer großen prospektiven US-Kohortenstudie allein durch Veränderungen im EKG erkannt. Die Prognose der Patienten war laut der Publikation in Circulation (2016, doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.115.021177) bei den stummen Herzinfarkten fast so ungünstig wie bei symptomatischen Herzinfarkten.
Dass nicht jeder Herzinfarkt mit starken Brustschmerzen einhergeht, ist seit langem bekannt. Die Häufigkeit der stummen Herzinfarkte wurde jedoch bisher als niedrig eingestuft und mit bestimmten Risiken wie Typ-2-Diabetes oder einen hohen Alter in Verbindung gebracht. Die Teilnehmer der ARIC-Kohorten (Atherosclerosis Risk in Communities) sind jedoch eine repräsentative Stichprobe der US-Bevölkerung (allerdings nur von Weißen europäischer Herkunft und Afroamerikanern), und das Durchschnittsalter war mit 55 Jahren zu Beginn der Studie nicht ungewöhnlich hoch.
Bei allen Teilnehmern wurde an vier Terminen auch ein EKG abgeleitet. Dort wurde bei 317 von 9.498 Teilnehmern (3,3 Prozent), die zu Beginn noch keine Veränderungen im EKG hatten, in einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 8,9 Jahren typische Herzinfarktzeichen im EKG festgestellt. An einem symptomatischen Herzinfarkt erkrankten im gleichen Zeitraum 386 Patienten (4,1 Prozent). Damit verliefen 317 von 703 Herzinfarkten (45,1 Prozent) für den Patienten unbemerkt. Die stummen Herzinfarkte waren bei Afroamerikanern etwas häufiger als bei Weißen. Der Unterschied war jedoch statistisch nicht signifikant.
Hinsichtlich der Prognose unterschieden sich stumme von symptomatischen Herzinfarkten nur wenig. Das Risiko auf einen Herz-Kreislauf-Tod war bei Patienten mit stummem Infarkt dreifach höher als bei Patienten ohne koronare EKG-Zeichen (Hazard Ratio 3,06; 95-Prozent-Konfidenzintervall 1,88-4,99), wie das Team um Elsayed Soliman vom Wake Forest Baptist Medical Center in Winston-Salem/North Carolina berichtet. Bei Patienten mit symptomatischen Herzinfarkten war die Hazard Ratio 4,74 (3,26-6,90) nur wenig höher. Auch hinsichtlich der Gesamtsterblichkeit gab es kaum Unterschiede. Die Hazard Ratio für Menschen mit stummen Herzinfarkten betrug 1,34 (1,09-1,69), bei Patienten mit symptomatischen Herzinfarkten betrug sie 1,55 (1,30-1,85).
Frauen erkrankten etwas seltener an einem stummen Herzinfarkt. Die Prognose war bei ihnen aber schlechter (was die Häufung der Erkrankungen in früheren Studien erklären könnte). Afrikaner scheinen eine schlechtere Prognose zu haben als Amerikaner europäischer Herkunft. Die Ergebnisse waren aufgrund des geringen Anteils der Afroamerikaner nicht sicher.
Auch bei den typischen kardialen Risikofaktoren gab es kaum Unterschiede zwischen den Patienten mit stummen und solchen mit symptomatischen Herzinfarkten. Ein Diabetes war in beiden Gruppen bei 17 Prozent diagnostiziert worden (gegenüber 7,4 Prozent der Teilnehmer ohne Herzinfarkt). © rme/aerzteblatt.de

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