Medizin
Senkt Paracetamol die Empathie?
Freitag, 20. Mai 2016
Columbus – Patienten, die Paracetamol einnehmen, erleben nicht nur eine Abnahme körperlicher Schmerzen, sondern möglicherweise auch psychische Veränderungen. In einer Studie der Ohio State University stellten Forscher um Dominik Mischkowski bei Patienten, die Paracetamol einnahmen, eine deutlich verringerte Fähigkeit zur Empathie fest. Die Autoren berichten in Social Cognitive and Affective Neuroscience (doi: 10.1093/scan/nsw057).
Körperliche und psychische Schmerzen werden laut den Autoren in ähnlichen Hirnregionen verarbeitet. Nicht umsonst können sich seelische Schmerzen auch körperlich äußern. Dass nicht-opioide Schmerzmittel wie Paracetamol und Ibuprofen nicht nur den physischen, sondern auch den seelischen Schmerz lindern, konnten Forscher der Universität Kentucky bereits in mehreren Studien beobachten.
So zeigte eine Arbeitsgruppe um Nathan Dewall, dass der Schmerz durch soziale Zurückweisung oder auch durch finanzielle Verluste unter Paracetamoleinnahme abnahm. Im anterioren zingulären Kortex und der anterioren Inselrinde, Areale die an der Schmerzverarbeitung beteiligt sind, konnten die Forscher eine reduzierte Aktivität beobachten (doi:10.1177/0956797610374741). Der exakte Wirkmechanismus von Paracetamol ist nach wie vor nicht bekannt.
In ihrer Studie randomisierten die Forscher 80 Patienten in eine Placebo- und eine Behandlungsgruppe. Die Probanden nahmen als Verum einen Gramm Paracetamol ein. Eine Stunde nach der Einnahme lasen die Teilnehmer eine Geschichte, in welcher Personen seelische oder körperliche Schmerzen erlitten. Im Nachgang mussten sie angeben, welche Schmerzen die Charaktere erlitten hatten. Es zeigte sich, dass Probanden der Paracetamol-Gruppe den Schmerz der Charaktere deutlich niedriger einschätzten.
In einer zweiten Versuchsanordnung wurden einer anderen Studiengruppe mit 114 Probanden laute Geräusche vorgespielt. In der Paracetamol-Gruppe nahmen die Teilnehmer die Geräusche weniger unangenehm wahr. Wenn der Krach anderen Teilnehmern vorgespielt wurde, schätzten die Probanden den empfundenen Schmerz dieser Teilnehmer ebenfalls als niedriger ein.
In einem letzten Versuch beobachteten Teilnehmer eine soziale Situation, bei der ein Mensch ausgeschlossen wurde. Unter Paracetamol schätzten sie den sozialen Schmerz erneut geringer ein als die Vergleichsgruppe.
Die Forscher vermuten, dass die reduzierte Empathie durch ein herabgesetztes Schmerzempfinden bedingt war. Angesichts der Tatsache, dass pro Woche rund ein Viertel aller US-Amerikaner das Medikament einnimmt, halten die Forscher die psychischen Nebeneffekte des Medikaments für sehr relevant. © hil/aerzteblatt.de

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