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Medizin

SYNE1-Ataxie: Bewegungsstörung häufiger und schwerwiegender als bisher vermutet

Mittwoch, 25. Mai 2016

Tübingen – Eine im Osten Kanadas entdeckte Bewegungsstörung galt bislang als nicht sonderlich schwerwiegend, äußerst selten und auf diesen Landstrich beschränkt. Dies stellt sich nun jedoch als Fehleinschätzung heraus. Die Krankheit zeigt schwere Krankheitszeichen wie eine verkrümmte Wirbelsäule, Lähmungen und fortschreitenden Muskelschwund bis hin zur geistigen Behinderung. Zudem ist sie kein kanadisches Phänomen. Sie kommt weltweit vor, auch in Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommen Matthis Synofzik vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) des Universitätsklinikums Tübingen und seine Kollegen in einer kürzlich in Brain (DOI:10.1093/brain/aww079) publizierten Studie.

Vor fast zehn Jahren wurde in Quebec eine neue Ataxie entdeckt, bei der ein Protein, SYNE1, seinen Dienst versagt. Es ist unter anderem dafür zuständig, einen Teil des Zellskeletts zu verankern. Schwanken, verwaschenes Sprechen und Doppelsehen galten bisher als typischen Symptome dieser SYNE1-Ataxie.

Da Ataxien sehr selten sind - von hunderttausend Personen erkranken nicht mehr als zwanzig – hat das Team um Synofzik bei seiner Forschung mit sieben europäischen Zentren zusammengearbeitet. Zunächst wurden 434 Patienten aus 36 Ländern, später weitere 116 untersucht. Alle Probanden litten unter einer unklaren, rezessiv vererbten Bewegungsstörung.

Mehr als nur eine milde Bewegungsstörung
Rund 5 bis 6 % der Patienten hatten Mutationen im SYNE1-Gen. Aber nur einer von fünf Patienten mit einer solchen Mutation hat die milden, aus Kanada bekannten Symptome. Vier von fünf Patienten hatten mehr und vor allem schwerere Krankheitszeichen. „Das Spektrum reicht von Veränderungen an der Wirbelsäule, über Missbildungen an den Füßen, Muskelschwund, Lähmungen bis hin zu Störungen bei der Atmung und geistiger Behinderung. Wir haben es bei der SYNE1-Ataxie also nicht mit einer milden Bewegungsstörung zu tun, die vom Kleinhirn ausgeht, sondern mit einer komplexen Erkrankung, bei der auch das Skelett und die motorischen Nervenzellen im Rückenmark betroffen sind“, erklärt Synofzik. Gerade die Beteiligung der motorischen Nervenzellen scheint ein häufiges Symptom bei der SYNE1-Ataxie zu sein. Dadurch hat die Erkrankung eine gewisse Ähnlichkeit mit der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS), bei der die Muskulatur versagt.

Die Forscher räumen auch mit der Einschätzung auf, dass die Lebenserwartung der Kranken nicht reduziert ist. Drei der insgesamt 30, in beiden Studien identifizierten Patienten hatten Schwierigkeiten mit der Atmung. Einer dieser Patienten starb mit 36 Jahren an den Komplikationen. „Die Krankheit wird neu bewertet werden müssen“, sagt Synofzik.

SYNE1-Protein-Test soll die Diagnose erleichtern
Bei der Sequenzierung der defekten Genkopien wurden insgesamt 46 neue Mutationen gefunden. Bei Verdacht auf diese Erkrankung sollte daher immer das gesamte Gen durchsucht werden. „Wir können den einzelnen Symptome keine bestimmten Mutationen zuordnen und werden das vielleicht auch nie können. Aber wir haben jetzt einen Eindruck von der genetischen Komplexität der Erkrankung“. Die Wissenschaftler konnten auch zeigen, dass die Kranken kein SYNE1-Protein mehr in ihren Muskeln haben. Sie arbeiten jetzt daran, daraus einen diagnostischen Test für die klinische Routine zu etablieren. © gie/idw/aerzteblatt.de

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