Medizin
Extreme Frühgeburten haben als Erwachsene weniger Erfolg in Privat- und Berufsleben
Mittwoch, 25. Mai 2016
Hamilton/Ontario – Der ersten Generation von extremen Frühgeburten fällt es offenbar schwerer als anderen, einen gleichwertigen Platz in der Gesellschaft zu finden. Eine Kohortenstudie in JAMA Pediatrics (2016; doi: 10.1001/jamapediatrics.2016) zeigt, dass die Betroffenen häufiger alleinstehend und arbeitslos sind und über ein niedrigeres Haushaltseinkommen verfügen.
Ende der siebziger Jahre hatten Kinder mit einem Geburtsgewicht von 500 bis 1000 Gramm nur eine Überlebenschance von etwa 50 Prozent. Bei vielen Überlebenden kam es zu neurosensorischen Beeinträchtigungen, die für viele im späteren Leben zu einem Handicap werden. Frühere Untersuchungen einer Gruppe von extremen Frühgeburten, die Forscher der McMaster Universität in Hamilton/Ontario begleiten, zeigten denn auch, dass es extrem Frühgeborenen im jungen Erwachsenenleben schwerer fällt, eine Familie zu gründen. Psychologische Tests ergaben, dass die meisten risikoscheu sind und eher zurückgezogen leben. Bei der letzten Untersuchung im Alter von 22 bis 26 Jahren waren die Unterschiede zu anderen Kindern jedoch noch gering. Die extrem Frühgeborenen waren in der Schule genauso erfolgreich, auch wenn der Anteil mit einem höheren Schulabschluss etwas geringer war.
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Mittlerweile sind die Teilnehmer der Kohorte zwischen 29 und 36 Jahre alt und Saroj Saigal und Mitarbeiter müssen doch deutliche Unterschiede zu einer Gruppe Gleichaltriger feststellen, die nach einer normalen Schwangerschaft geboren wurden. Die extremen Frühgeburten waren nur zu 80,4 Prozent berufstätig gegenüber 91,8 Prozent in der Vergleichsgruppe, und ihr durchschnittliches Jahreseinkommen war mit 26.500 gegenüber 46.500 kanadischen Dollar deutlich geringer. Ingesamt 51 Prozent (versus 34,8 Prozent) hatten niemals geheiratet und 31,3 Prozent (versus 13,1 Prozent) hatten selten oder niemals „Dates“. Die extremen Frühgeburten waren häufiger kinderlos (80 Prozent versus 67 Prozent) und 20,6 Prozent (versus 2,2 Prozent) hatten noch niemals Geschlechtsverkehr gehabt. Überraschenderweise gaben 9,4 Prozent (versus 2,3 Prozent) an, dass sie nicht heterosexuell veranlagt seien.
Ein Grund für die geringeren sozioökonomischen Erfolge dürfte in den Behinderungen und chronischen Krankheiten zu suchen sein, mit denen die Betroffenen lebenslang zu kämpfen haben. Sie leiden auch im Erwachsenenalter häufiger unter Sehstörungen (64,3 versus 13,5 Prozent), Hörstörungen (11,0 versus 3,4 Prozent) oder einer gestörten Koordination der Bewegungen (64,3 versus 13,5 Prozent). Auch chronische Erkrankungen wie Epilepsie oder eine Bronchitis waren bei den extremen Frühgeburten häufiger.
Die Handicaps wirkten sich auch auf den Charakter der Betroffenen aus. Sie sind weiterhin weniger risikobereit und viele haben ein niedriges Selbstbewusstsein. Es sei schwierig vorherzusagen, wie sich die weitere Zukunft der extremen Frühgeburten gestalten werde, meint Saigal. Es sei jedoch wichtig, dass die Betroffenen nicht allein gelassen würden und sie sollten die notwendige Betreuung und Unterstützung erfahren, findet die Expertin. © rme/aerzteblatt.de

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