Medizin
Hämophilie A: Antikörper ersetzt Faktor VIII
Freitag, 27. Mai 2016
Kashihara/Japan – Der bispezifische Antikörper Emicizumab, der die Funktion des Gerinnungsfaktors VIII nachahmt, hat in einer Phase 1-Studie einige Patienten mit Hämophilie A fast vollständig vor Blutungskomplikationen bewahrt. Das Faktor VIII-Mimetikum Emicizumab war laut der Publikation im New England Journal of Medicine (2016; 374: 2044-2053) auch bei Patienten mit Faktor VIII-Inhibitoren wirksam, die bei vielen Patienten die Substitution mit dem natürlichen oder rekombinationen Faktor VIII erschweren.
Die Aufgabe von Faktor VIIIa in der Gerinnungskaskade besteht darin, den Kontakt zwischen dem Enzym Faktor IXa und seinem Substrat Faktor X herzustellen. Das Ergebnis ist die Bildung von Faktor Xa. Die gleiche Aufgabe erledigt der bispezifische Antikörper Emicizumab, dessen beiden Arme mit den Faktor IXa und Faktor X besetzt sind. Nach der Injektion kommt es zur Freisetzung von Faktor Xa, was die normale Blutgerinnung wieder herstellt.
Die Vorteile von Emicizumab bestehen darin, dass das Medikament nur einmal in der Woche subkutan verabreicht werden muss, während die Substitution von Faktor VIII dreimal in der Woche intravenös erfolgen muss. Noch wichtiger ist, dass Emicizumab nicht von den neutralisierenden Antikörpern gehemmt wird, die sich bei etwa 30 Prozent aller Hämophilie A-Patienten im Verlauf der Zeit bilden und die Wirkung der Therapie abschwächen. Emicizumab wäre deshalb eine echte Innovation, wenn sich die Therapie als sicher und effektiv erweisen sollte.
Der japanische Hersteller Pharmaceutical, der inzwischen zum Schweizer Konzern Roche gehört, hat den bispezifischen Antikörper in einer ersten klinischen Studie an 18 Patienten mit schwerer Hämophilie A getestet, von denen elf bereits Antikörper gegen Faktor VIII entwickelt hatten. In der Dosisfindungsstudie wurden die Patienten mir drei unterschiedlichen Dosierungen von Emicizumab behandelt. Zu den Endpunkten gehörte neben Verträglichkeit und Pharmakokinetik/Pharmakodynamik auch die Rate der Blutungen im Verlauf der 12-wöchigen Therapie.
Wie Midori Shima von der Nara Medical Universität in Kashihara und Mitarbeiter berichten, traten unter allen drei Dosierungen (0,3, 1,0 und 2,0 mg/kg Körpergewicht) keine Sicherheitsprobleme auf. Die Plasmakonzentrationen stiegen erwartungsgemäß mit der Dosis von Emicizumab an. Die mittlere Blutungsrate sank auf 4,4 Episoden pro Jahr. Im Jahr vor der Behandlung waren es noch 32,5 Blutungsepisoden gewesen. In den beiden höheren Dosierungen kam es unter der Behandlung mit Emicizumab zu keiner einzigen Blutung. Die Faktor VIII-Antikörper haben die Wirkung von Emicizumab nicht beeinträchtigt. Antikörper gegen Emicizumab traten bisher nicht auf.
Emicizumab hat aufgrund der Ergebnisse von der US-Arzneibehörde FDA eine Einstufung als Breakthrough Therapy erhalten. Der Hersteller darf auf eine beschleunigte Zulassung möglicherweise noch vor Abschluss der Phase 3-Studie hoffen, an der auch vier Zentren in Deutschland (Bonn, Frankfurt/Main, Hamburg und Mörfelden-Walldorf) teilnehmen. © rme/aerzteblatt.de

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