Medizin
EMA will Phase 1-Studien sicherer machen
Samstag, 28. Mai 2016
London – Die europäische Arzneimittel-Agentur EMA will die Sicherheit von Phase 1-Studien verbessern, in denen neue Wirkstoffe erstmals beim Menschen getestet werden. Zuletzt hatte es in einer Studie in Frankreich einen Todesfall gegeben. Fünf weitere Teilnehmer mussten im Krankenhaus behandelt werden. Wie solche Unglücksfälle künftig verhindert werden können, sollen jetzt zwei Expertengruppen klären.
Die EMA-Initiative ist nicht die erste offizielle Reaktion auf die Zwischenfälle, zu denen es im Januar diesen Jahres bei der Prüfung von BIA 10-2474 kam. Die französische Biotrial hatte den Wirkstoff, der das Enzym Fettsäureamid-Hydrolase (FAAH) hemmt, an gesunden Probanden getestet. Dabei war es bei sechs Teilnehmern zu Einblutungen in unterschiedliche Hirnregionen gekommen, die bei einem Probanden zum Hirntod führte. Die anderen überlebten nach einer Steroidbehandlung.
In den vergangenen Monaten hatte zunächst die Inspection générale des affaires sociales (IGAS) der französischen Regierung einen Untersuchungsbericht vorgelegt. Später folgte ein medizinisches Gutachten des Comité Scientifique Spécialisé Temporaire (CSST). Beide konnten nicht klären, warum die Gefahr nicht bereits in den ausführlichen tierexperimentellen Studien erkannt wurde.
Das CSST bemängelte nur, dass die klinische Studie relativ ziellos ohne Blick auf eine mögliche Indikation durchgeführt wurde. Es blieb unklar, bei welchem Krankheitsbild FAAH-Inhibitoren eingesetzt werden sollen. Die Mittel hemmen den Abbau von endogenen Cannaboiden. Zu den möglichen Einsatzgebieten gehören Angststörungen und Schmerzen, für die es aber bereits wirksame Medikamente gibt. Rein rechtlich und nach den pharmakologischen Grundsätzen wurden die Tests, soweit bekannt, korrekt durchgeführt.
Die beiden Expertengruppen sollen jetzt noch einmal die Protokolle und Ergebnisse der Studien prüfen. Eine Gruppe soll sich auf die präklinischen Aspekte konzentrieren und dabei die Ergebnisse der Laborversuche und tierexperimentellen Studien analysieren. Die andere Expertengruppe soll sich um die klinischen Aspekte der Prüfung kümmern und Vorschläge erarbeiten, wie das „Design“ von Phase 1-Studien künftig sicherer gestaltet werden kann.
Ob damit in Zukunft ähnliche Katastrophen sicher vermieden werden können, bleibt abzuwarten. Fest steht allerdings, dass Phase 1-Studien in aller Regel sicher sind. Schwere Nebenwirkungen sind in der Vergangenheit extrem selten aufgetreten. In Europa wurden laut EMA seit 2005 etwa 14.700 Phase 1-Studien (unter Beteiligung von 305.000 Patienten) durchgeführt. Darunter waren 3.100 Studien, in denen erstmals neue Wirkstoffe beim Menschen getestet wurden.
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Nur in einer weiteren Studie war es zu schweren Zwischenfällen gekommen: Im März 2006 mussten in London sechs Probanden hospitalisiert werden, bei denen es nach Behandlung mit dem monoklonalen Antikörper TGN1412 der Würzburger Firma Tegenero zu schweren Immunreaktionen teilweise mit Multiorganversagen gekommen war. Auch hier hatten die tierexperimentellen Studien keine Warnhinweise geliefert. Im Anschluss an die Zwischenfälle hatte die EMA Leitlinien zur Risikoidentifizierung und -minimierung bei der Erstanwendung neuer Arzneimittel am Menschen erarbeitet, die jedoch die Zwischenfälle in Frankreich nicht verhinderten.
Eine Meta-Analyse kam 2015 zu dem Ergebnis, dass Nebenwirkungen in Phase 1-Studien zwar nicht ganz selten sind. Sie waren jedoch meist milde. Am häufigsten traten Kopfschmerzen (12,2 Prozent), Schläfrigkeit (9,8 Prozent) und Diarrhöe (6,9 Prozent) auf. Schwere Komplikationen wurden laut der Publikation im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2015; 350: h3271) nur bei 34 von 11.028 Teilnehmen (0,31 Prozent) beobachtet. © rme/aerzteblatt.de

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