Medizin
Frauen mit Migräne haben erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko
Mittwoch, 1. Juni 2016
Berlin – Frauen mit Migräne haben langfristig ein leicht erhöhtes Risiko, an Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erkranken. Dies zeigt eine Auswertung der Nurses’ Health Study II im Britischen Ärzteblatt BMJ (2016; 353: i2610) nach der auch das kardiovaskuläre Sterberisiko erhöht war.
Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass Frauen mit Migräne häufiger als andere an einem Schlaganfall erkranken. Das Risiko war dabei auf die etwa 30 Prozent der Patientinnen beschränkt, deren Kopfschmerzattacke häufig eine Aura vorausging. Leider wurden die Teilnehmerinnen der Nurses’ Health Study II, die zu Beginn der Studie angaben unter Migräne zu leiden, nicht nach einer Aura befragt. So bleibt unklar, ob das erhöhte Risiko, das Tobias Kurth von der Berliner Charité zusammen mit Forschern der Harvard T.H. Chan School of Public Health in Boston ermittelt hat, auf Patientinnen mit Aura beschränkt ist.
Die Analyse umfasst die Daten von 115.541 Frauen im Alter von 25 und 42 Jahren, die zu Beginn der Studie nicht unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen litten. Insgesamt 17.531 Frauen (15,2 Prozent) hatten zu Beginn der Studie angegeben, unter einer Migräne zu leiden. Von ihnen erlitten im Verlauf der mehr als 20 Jahre Nachbeobachtung 1.329 Schlaganfall, Herzinfarkt oder ein anderes Herz-Kreislauf-Ereignis. Insgesamt 223 Frauen starben an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung.
Frauen mit Migräne hatten laut der Studie ein um 50 Prozent erhöhtes Risiko auf ein Herz-Kreislauf-Ereignis. Kurth und Mitarbeiter ermitteln eine Hazard Ratio von 1,50, die mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,33 bis 1,69 statistisch hoch signifikant war. Für Schlaganfälle betrug die Hazard Ratio 1,62 (1,37-1,92), für den Herzinfarkt 1,39 (1,18-1,64) und für eine Angina pectoris beziehungsweise eine koronare Revaskularisierung 1,73 (1,29-2,32).
Darüber hinaus war die Migräne auch mit einem signifikant erhöhten Risiko auf einen Tod durch eine Herz-Kreislauf-Erkrankung assoziiert. Die Hazard Ratio von 1,37 war mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,02 bis 1,83 ebenfalls signifikant. Das Risiko bestand unabhängig vom Alter, Rauchen, Hypertonie, einer postmenopausalen Hormontherapie oder der Einnahme oraler Kontrazeptiva.
Für die einzelne Frau ist das absolute Risiko sehr gering, schreiben Rebecca Burch von der Harvard Medical School und Melissa Rayhill von der State University of New York in Buffalo im Editorial. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung könnte die Migräne jedoch ein wichtiger Auslöser von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein – die Studie macht hierzu keine Angaben. Der Pathomechanismus ist nicht geklärt wie auch die Ursache der Migräne weiterhin unbekannt ist. Ein gemeinsamer Nenner könnte jedoch eine Störung auf der Ebene der Endothelien sein.
Weitgehend unbekannt ist der Einfluss, den eine medikamentöse Migräne-Prophylaxe auf das Herz-Kreislauf-Risiko hat. Dieses Thema könnte demnächst die Arzneimittelagenturen beschäftigen. Derzeit werden mehrere CGRP-Antagonisten (für Calcitonin-Gene-Related-Peptide-Rezeptor) in Phase 3-Studien untersucht.
Die CGRP-Antagonisten, die die Blutgefäße im Gehirn erweitern, haben bislang eine gute Wirkung gezeigt. Es gilt laut Burch und Rayhill jedoch bedenken, dass die Mittel einen ungünstigen Einfluss auf das Herz-Kreislauf-Risiko haben, die sich erst nach einer längeren Einnahme zeigen könnten. Die beiden Forscherinnen sprachen sich dafür aus, die langfristigen Risiken im Anschluss an die Zulassung durch Post-Marketing-Studien zu untersuchen. © rme/aerzteblatt.de

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