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Medizin

Luftverschmutzung lässt Blutdruck kurz- und langfristig steigen

Donnerstag, 2. Juni 2016

dpa

Guangzhou/China – Die Exposition gegenüber Feinstaub und anderen Luftschadstoffen kann sowohl kurz- als auch langfristig den Blutdruck erhöhen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Meta-Analyse in Hypertension (2016; doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.116.07218).

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit die häufigste Todesursache und die arterielle Hypertonie gilt als ihr wichtigster Risikofaktor. Nach einer Schätzung sollen 16,5 Prozent aller Todesfälle auf erhöhte Blutdruckwerte zurückzuführen sein (JCvD 2013; 1: 1-2). Die Ursachen der Hypertonie sind vielfältig und erst teilweise erforscht. Ein Einfluss von Luftschadstoffen wird seit einiger Zeit vermutet. Ein Team um Tao Liu vom Provincial Institute of Public Health in Guangdong (dem früheren Kanton) hat jetzt die Daten von 17 Studien in einer Meta-Analyse ausgewertet die den kurz- und langfristigen Einfluss von Luftschadstoffen auf den Blutdruck untersucht haben. 

Die Studien hatten insgesamt 108.000 Hypertonie-Patienten und 220.000 Kontrollen ohne erhöhten Blutdruck verglichen. Ein hoher Blutdruck war definiert als ein systolischer Blutdruck über 140 mm Hg und/oder ein diastolischer Blutdruck über 90 mm Hg oder eine antihypertensive Behandlung. Der kurzfristige Einfluss wurde in Zeitreihenanalysen untersucht, in den Studien zum langfristigen Einfluss wurde die Luftqualität mit den Blutdruckwerten in größeren Kohorten in Beziehung gesetzt.

Die Studien zu den kurzfristigen Auswirkungen zeigten einen signifikanten Einfluss von Schwefeldioxid (SO2), Feinstaub (PM10) und Feinststaub (PM2,5). In den Studien zu den langfristigen Auswirkungen waren vor allem Stickstoffdioxid (NO2) und PM10 mit einer arteriellen Hypertonie assoziiert. Das Ausmaß des Risikos war in der Regel gering. Für die kurzfristige Exposition gegenüber SO2 ermittelt Liu eine Odds Ratio von 1,046 für jeden Anstieg um 10 µg/m3. Beim PM2,5 waren es 1,069 und beim PM10 1,024. Bei der langfristigen Exposition mit NO2 betrug die Odds Ratio 1,034 pro 10 µg/m3 NO2 und 1,054 für den gleichen Anstieg von PM10. Die Assoziationen waren jedoch statistisch signifikant, und da die arterielle Hypertonie sehr häufig ist, kann bereits ein leichter Anstieg des Risikos auf Bevölkerungsebene zu einer beträchtlichen Zunahme der Erkrankungsfälle führen. 

Wie Luftschadstoffe den Blutdruck erhöhen, ist nicht genau bekannt. Liu vermutet, dass es zu einer vermehrten entzündlichen Reaktion in den Blutgefäßen kommt und der oxidative Stress ansteigt. © rme/aerzteblatt.de

Kommentare

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Avatar #106067
dr.med.thomas.g.schaetzler
am Freitag, 3. Juni 2016, 21:58

Straße der Ölsardinen wird "Hypertension-", "Coronary-", "Stroke-Road"?

Studien belegen an Tagen mit schlechter Luftqualität eine erhöhte Inzidenz von kardiovaskulären Ereignissen. Smog gilt auch als Risikofaktor für Infarkte aller Art.

A. Shah et al. von der Universität Edinburgh/GB hatten die Evidenz in Hinblick auf das Schlaganfallrisiko geprüft (BMJ 2015; 350: h1295) http://www.bmj.com/content/350/bmj.h1295
94 Studien wurden ausgewertet, um das kurzfristige Schlaganfallrisiko bei schlechter Luft zu überprüfen. Schlaganfallinzidenz wurde mit Luftqualität der vergangenen maximal sieben Tage korreliert. Insgesamt flossen in die Studien 6,2 Millionen Daten zu Schlaganfällen aus 28 Ländern ein. Shah et al. überprüften u. a. Feinstaub, Kohlenmonoxid, Ozon, Stickoxid und Schwefeldioxid. Sie führten fast alle zu einer signifikant erhöhten Schlaganfallinzidenz.

In einer älteren Publikation aus dem British Medical Journal vom 20.9.2011 (doi:10.1136/bmj.d5531) zu ACS- und Myokard-Infarkt-Häufung unter dem Einfluss von Luftverschmutzung: "The effects of hourly differences in air pollution on the risk of myocardial infarction: case crossover analysis of the MINAP database" von K. Bhaskaran et al. wollten Epidemiologen der "London School of Hygiene and Tropical Medicine" belegen, dass hochgradige Umweltbelastungen mit erhöhter myokardialer Morbidität korrelieren. Die spezifische Erhöhung des Myokardinfarktrisikos ist in vereinzelten Studien als Kurzzeit-Effekt wenige Stunden nach Atemluftbelastung nachgewiesen worden. Im BMJ wurde der Einfluss der als Feinstaub PM10 ('pollution model') bezeichneten Staubfraktion (50% der Teilchen mit einem Durchmesser von 10 µm) u n d Stickstoffdioxyd NO2 auf die Ereignisrate in 15 Regionen Groß-Britanniens bei STEMI-, Non-STEMI-Herzinfarkten und Troponin-positivem akutem Koronarsyndrom (ACS) in den Krankenhausberichten untersucht. Dabei waren Ozon- und Kohlenmonoxid- (CO) Luftbelastungen überraschender Weise eher kardioprotektiv wirksam bzw. Schwefeldioxid (SO2) ohne messbare Auswirkung. Das Risiko eines Herzinfarktes war allerdings nur bis zu 6 Stunden nach Exposition mit höherer verkehrsbedingter Luftverschmutzung von PM10 und NO2 erhöht ("Myocardial infarction risk was transiently increased up to 6 hours after exposure to higher levels of the traffic associated pollutants PM10 and NO2"). Keine der Luft verschmutzenden Substanzen zeigte einen Langzeiteffekt bis zu 72 Stunden danach mit weiterer Erhöhung des Myokardinfarktrisikos. Einschränkend diskutierten die BMJ-Autoren, dass der etablierte Effekt von Luftverschmutzung auf die allgemeine kardiorespiratorische Morbidität und Mortalität nicht nur speziell auf den Herzinfarkt übertragen werden könnte.

In einer weiteren Studie in "Circulation" von 2012; 125: 2197-2203
http://circ.ahajournals.org/content/125/18/2197.abstract
wurden L a n g z e i t-Effekte von Luftverschmutzung auf die erhöhte Mortalität nach stattgehabtem Myokardinfarkt in Abhängigkeit von der Nähe des Wohnortes zu vielbefahrenen und auch lauten Hauptverkehrsstraßen untersucht: "Residential Proximity to Major Roadway and 10-Year All-Cause Mortality After Myocardial Infarction" von J. I. Rosenbloom et al. Diese Circulation-Studie kann Erkenntnislücken natürlich nicht vollständig schließen, beschreibt aber zusätzlich nachweislich die erhöhte Mortalität bei stattgehabtem Myokardinfarkt in Abhängigkeit von der Nähe des Wohnortes zu vielbefahrenen und auch lauten Hauptverkehrsstraßen.

Hier sehen wir aktuell, dass die Exposition gegenüber Feinstaub und anderen Luftschadstoffen sowohl kurz- als auch langfristig den Blutdruck erhöhen kann. Zu diesem Ergebnis kommt die beschriebene Meta-Analyse in Hypertension:
2016; doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.116.07218

Die staubig schmutzige "Cannery Row" (Straße der Ölsardinen) von John Steinbeck wird also zur "Hypertension-", "Coronary-" bzw. "Stroke-Road"!

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund
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