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Politik

Kindesmiss­handlungen: „Kinderschutz ist wichtiger als Datenschutz“

Freitag, 3. Juni 2016

/dpa

Berlin – Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (bvkj) hat eine bessere Kooperation zwischen Kinderärzten und der Kinder- und Jugendhilfe gefordert, um Misshandlungen von Kindern und Jugendlichen nachzugehen. „Es kann nicht sein, dass Ärzte nur als Melder für die Jugendhilfe fungieren und dann keine Rückmeldung erhal­ten, was aus den Fällen geworden ist“, betonte der Präsident des bvkj, Thomas Fisch­bach, gestern auf dem 16. Forum für Gesundheits- und Sozialpolitik des Verbandes in Berlin. Zur Kinder- und Jugendhilfe zählen die Jugendämter sowie freie Jugend- und Wohlfahrtsverbände wie das Diakonische Werk oder das Deutsche Rote Kreuz.

Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, Caren Marks, gab Fischbach Recht. „Das fehlende Feedback für die Ärzte ist nicht zufriedenstellend“, sagte sie und kündigte an, dass das Ministerium entsprechende Gesetzesänderungen vornehmen wolle.

Kinderärzte wollen mit Jugendämter über Fälle sprechen dürfen
Zudem kritisierte Fischbach, dass Kinderärzte in vielen Fällen die Namen der Kinder nicht nennen dürfen, wenn sie mit der Jugendhilfe über Verdachtsfälle von Misshand­lungen sprechen. „Wenn ich eine Situation pseudonymisiert schildere, bekomme ich nicht die wichtigen Informationen, die ich brauche“, sagte Fischbach. „Da würden wir uns die Möglichkeit wünschen, konkreter mit der Jugendhilfe in Kontakt treten zu können.“ Der Kinderschutz müsse über dem Datenschutz stehen.

Thema des Forums war das Bundeskinderschutzgesetz, das im Jahr 2012 in Kraft getreten ist. Der Gesetzgeber wollte damit unter anderem auf lokaler Ebene Netzwerke einführen, in denen die Akteure im Bereich des Kinderschutzes – Jugend- und Gesund­heitsämter, Kliniken, Ärzte, Hebammen, Schwangerschaftsberatungs­stellen, Schulen, Kindergärten und Polizei – kooperieren sollen. Zudem erhielten Familien mit besonderem Unterstützungsbedarf „frühe Hilfen“ zur Stärkung der elterlichen Erziehungs­kompetenz, während der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren des Kindes. Auch sollte die Zusammenarbeit der Jugendämter verbessert werden, damit Eltern sich nicht mehr so leicht durch einen Wohnungswechsel der Kontrolle entziehen können.

Marks´ Bilanz nach vier Jahren fiel positiv aus: „Das Bundeskinderschutzgesetz hat schon relativ viel Wirkung entfaltet. Vor Ort haben sich Netzwerke gebildet.“ Auch bei der Vernetzung zwischen dem Kinderschutzgesetz und dem Gesundheitswesen sei viel passiert. Während in der Kinder- und Jugendhilfe das Thema Kooperation schon im Gesetz verankert sei, sei dies im Gesundheitsbereich allerdings noch nicht der Fall. Um dies zu ändern, befände sich das Familienministerium mit dem Bundesgesundheits­minis­terium derzeit im Gespräch.

Steigende Untersuchungszahlen in der Rechtsmedizin
„Das Bundeskinderschutzgesetz hat bei uns dazu geführt, dass wir mehr gefragt werden. Wir verzeichnen steigende Untersuchungszahlen“, erklärte Sibylle Banaschak, leitende Oberärztin am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Köln. Das sei aber auch eine allgemeine Entwicklung.

Banaschak lobte die Jugendämter: Dort arbeiteten viele engagierte Menschen, die sie gerne fortbilde. Es gebe bei einigen aber auch „eine erstaunliche Grundnaivität“. Des­halb sei es gut, dass die Mitarbeiter der Jugendämter von Rechtsmedizinern erfüh­ren, welche Formen von Misshandlungen es tatsächlich gebe.

Marks wies darauf hin, dass sich das Aufgabenspektrum in der Kinder- und Jugendhilfe in den vergangenen zehn Jahren verändert und erweitert habe. So sei die Betreuung minderjähriger, unbegleiteter Flüchtlinge hinzugekommen. Zugleich habe sich die Personal­situation in vielen Jugendämtern verbessert. Manche personellen Engpässe könnten jedoch nicht behoben werden, „weil es einfach nicht genug ausgebildetes Personal gibt“.

Neue S3-Leitlinie wird erarbeitet
Banaschak erklärte, dass zum Kinder- und Jugendschutz derzeit eine neue S3-Leitlinie erarbeitet werde. „Daran sind 70 Fachgesellschaften beteiligt. Das ist eine Mammut­aufgabe“, sagte sie. Ende nächsten Jahres soll die Leitlinie vorliegen. Über den Sach­stand könne man sich auf der Internetseite der „Arbeitsgemeinschaft Kinderschutz in der Medizin“ informieren, die die Neufassung koordiniere. © fos/aerzteblatt.de

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