Vermischtes
Demenzpatienten bringen somatische Stationen im Krankenhaus an ihre Grenzen
Montag, 6. Juni 2016
Stuttgart/Mannheim/München – 40 Prozent aller über 65-jährigen Patienten in Allgemeinkrankenhäusern weisen kognitive Störungen auf, fast jeder Fünfte leidet an Demenz. Zu diesem Ergebnis kommt die von der Robert Bosch Stiftung geförderte Studie „Demenz im Allgemeinkrankenhaus. Prävalenz und Versorgungssituation“ der Hochschule Mannheim und der Technischen Universität München.
„Die große Zahl an Patienten mit kognitiven Beeinträchtigungen stellt Krankenhäuser vor eine erhebliche Herausforderung, auf die derzeit weder das pflegerische noch das medizinische Personal vorbereitet ist“, warnt Martina Schäufele von der Fakultät für Sozialwesen der Hochschule Mannheim.
Für die Studie haben die Forscher über zwei Jahre rund 1.500 Patienten untersucht und die Versorgungssituation in über 30 Krankenhäusern beurteilt. Die Analyse liefert laut der Arbeitsgruppe repräsentative Daten zu Anzahl, Verteilung und Versorgungsbedarf von stationären Patienten mit kognitiven Störungen.
Die Daten zeigen, dass Patienten mit Demenz besondere Anforderungen an das pflegerische und medizinische Personal stellen. Neben kognitiven Beeinträchtigungen zeigten nahezu 80 Prozent zusätzliche Verhaltenssymptome wie nächtliche Unruhe, Umtriebigkeit und Aggressivität, die den Umgang mit den Patienten erschwerten. Insgesamt nehme die Versorgung deutlich mehr Zeit in Anspruch und sei mit zahlreichen Problemen in Pflege und Therapie verbunden, so die Autoren.
Allerdings sei die Diagnose bei gut zwei Dritteln der Demenzkranken zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme nicht bekannt. Die Wissenschaftler empfehlen deshalb einen kurzen Screeningtest, um Patienten zu identifizieren, die eine besonders intensive Betreuung und Pflege benötigen.
Spezielle Betreuungsangebote für Demenzpatienten sind laut Studie selten. Auch Pflege- und Betreuungskräfte mit spezieller Ausbildung gebe es nur wenige. Zudem fehlten entsprechende Schulungen und Weiterbildungen zum Thema.
„Die Studie unterstreicht die Dringlichkeit des Problems, mit dem sich Krankenhäuser in Deutschland bereits seit einigen Jahren konfrontiert sehen“, sagte Bernadette Klapper, Leiterin des Bereichs Gesundheit der Robert Bosch Stiftung.
Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie hatte schon 2012 auf das Problem der Demenzkranken in somatischen Krankenhausstationen hingewiesen. Danach liegt der Anteil der Demenzerkrankten auf manchen Stationen für Innere Medizin oder Chirurgie schon heute bei 40 Prozent. „Aber die Akutkrankenhäuser sind bisher auf die Behandlung und Pflege von Demenzkranken nicht eingestellt. Sie müssen dringend alters- und demenzfreundlicher gestaltet werden“, sagte der damalige Präsident der Fachgesellschaft, Werner Hofmann.
Er bezeichnete die Krankenhäuser als „denkbar schlechtesten Aufenthaltsort für Demenzkranke“. Die Patienten reagierten „auf die fremde Umgebung, die Hektik der Notaufnahme, den gedrängten Zeitplan, auf das Blutabnehmen und andere unangenehme Untersuchungen häufig mit Angst, Unruhe und Wutausbrüchen“, so der Geriater. © hil/aerzteblatt.de

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