Medizin
Vorhofflimmern: Frauen erhalten seltener Antikoagulanzien als Männer
Freitag, 3. Juni 2016
Cincinatti – Frauen mit Vorhofflimmern, die aufgrund diverser Risikofaktoren ein erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall haben, erhalten seltener die empfohlene Therapie mit Blutverdünnern als Männer. Dabei haben sie im Vergleich zu Männern ein höheres Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Die geschlechtsbedingten Versorgungsunterschiede zeigt eine retrospektive Studie, die im Journal of the American Geriatrics Society (DOI: 10.1111/jgs.14099) publiziert wurde.
Das Risiko, dass Patienten mit Vorhofflimmern einen Schlaganfall erleiden, steigt unter anderem bei Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, Diabetes, ab dem 65. Lebensjahr, aber auch beim weiblichen Geschlecht. Forscher von der University of Cincinnati College of Medicine haben ein computerbasiertes Programm genutzt, um das Schlaganfallrisiko von 1.585 Patienten mit nichtvalvulärem Vorhofflimmern einzuschätzen. Anhand des individuellen Risikos gibt das Atrial Fibrillation Decision Support Tool (AFDST) eine Empfehlung, ob eine Therapie mit blutverdünnenden Medikamenten indiziert ist, oder ob die Gefahr einer Blutung durch deren Einnahme zu hoch ist.
Die Auswertung zeigt, dass sowohl Männer als auch Frauen in weniger als der Hälfte der Fälle die empfohlene Behandlung mit Antikoagulanzien erhielten. Bei Männern wurden 45 % (326 von 725 Patienten) mit Blutgerinnungshemmern therapiert, bei den Frauen waren es nur 39 % (338 von 860).
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„Dieses Problem der Unterversorgung ist uns auch in Deutschland bekannt,“ sagt Gerd Hasenfuß, Leiter der Klinik für Kardiologie und Pneumologie in Göttingen. Dabei gebe es klare Richtwerte, nach denen von einer Einnahme von Blutverdünnern wie Marcumar aufgrund der Blutungsgefahr bei nur geringer Schlaganfallsgefahr abgeraten wird. Keine Antikoagulation ist erforderlich bei jungen (< 65 Jahren), sonst gesunden Patienten mit Vorhofflimmern. Mit dem Thema wird sich ein Beitrag zur Reihe "Klug entscheiden..." im Deutschen Ärzteblatt 27/28 beschäftigen.
"Beim Einsatz von Blutverdünnern sehen wir also gleichzeitig eine Überversorgung - allerdings nur bei Patienten ohne weitere Risikofaktoren für einen Schlaganfall", so Hasenfuß. Ausschließlich bei diesen Patienten mit Vorhofflimmern sollten Ärzte laut der Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) auf eine Therapie mit Antikoagulanzien verzichten. In der Regel benötigen aber die meisten Patienten mit Vorhofflimmern eine Antikoagulation, die Unterversorgung überwiegt, erklärt Hasenfuß. Ob in Deutschland Frauen mit erhöhtem Risiko gegenüber Männern benachteiligt sind, kann der Experte der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin nicht mit Gewissheit sagen. Studien oder Register zu Genderunterschieden gibt es hierzu nicht. © gie/aerzteblatt.de

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