Medizin
Hörschädigung: Jugendliche leiden unter versteckter Nervenschädigungen durch Freizeitlärm
Donnerstag, 9. Juni 2016
São Paulo/Hamilton – Immer mehr Jugendliche in Brasilien berichten über chronischen Tinnitus. Damit einhergehende Anpassungen der Hörnervenbleiben meist unentdeckt. Forscher der McMaster's University in Hamilton hatten 170 Schüler aus São Paulo im Alter zwischen 11 und 17 Jahren befragt und Hörtests durchgeführt.
Fast alle Studienteilnehmer berichteten über Hörgewohnheiten, die die HNO-Experten als risikoreich einstuften. Die Belastung entstand durch tragbare Musik-Player sowie bei Parties und in Clubs. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen gaben im Fragebogen an, dass sie in den letzten 12 Monaten einen Tinnitus hatten. Die Hälfte davon nahm das dauerhafte Pfeiffen auf dem Ohr auch bei einem Test in einer Akkustik-Kammer wahr.
Zwar wiesen die Jugendlichen mit Tinnitus-Erfahrungen ein vergleichbar gutes Hörvermögen auf, wie gleichaltrige Mitschüler ohne Tinnitus (Hörschwelle ≤15 dB HL (hearing Level), 16 kHz). Diejenigen, die den Tinnitus auch in der Kammer hörten, zeigten aber eine geringere Toleranz gegenüber lauten Geräuschen. Ihre Lärmempfindlichkeit war im Durchschnitt 11,3 dB niedriger als bei den restlichen Teilnehmern.
Hierfür wurde im Frequenzberiech zwischen 0,5 bis 4 kHZ gemessen. Die Ursache dafür müsse nicht in der Chochlea liegen. Es sei ein frühes Anzeichen einer noch versteckten permanenten Nervenschädigung, die später zu einer Hörschädigung führen könne, erklären die Autoren. Bestimmte Gehirnzellen würden ihre Sensitivität gegenüber Geräuschen erhöhen, um den Verlust der geschädigten Hörnerven auszugleichen. Ein Audiogramm, mit dem in der Praxis ein gewöhnlicher Hörtest durchgeführt wird, erkennt diesen Hörausgleich nicht.
Auch in Deutschland untersuchen Forscher im Rahmen der Ohrkan-Studie, welche vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege finanziert wird, das Hörvermögen von Jugendlichen und die Belastung durch Freizeitlärm. An der ersten Erhebungsphase 2009 bis 2011 nahmen 2.148 Jugendliche im Alter zwischen 15 und 16 Jahren teil. 2,5 Jahre später fand die zweite Erhebung - Ohrkan II - mit noch 1.707 Jugendlichen statt. Laut Ohrkan II hat die Lärmbelastung um 47 % zugenommen, was das Risiko für Hörschäden langfristig erhöht. Ob es bei den Teilnehmern tatsächlich zu Hörschäden kommt, wird in einer weiteren Erhebung untersucht. © gie/aerzteblatt.de

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