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Medizin

Mammakarzinom: Zehn Jahre Hormontherapie beugt Brustkrebs auf der Gegenseite vor

Dienstag, 7. Juni 2016

dpa

Boston – Die Verlängerung der Hormontherapie mit dem Aromatase-Inhibitor Letrozol von fünf auf zehn Jahre hat in einer randomisierten Studie bei postmenopausalen Frauen mit rezeptor-positivem Mammakarzinom das krankheitsfreie Überleben (nicht aber das Gesamtüberleben) verlängert. Der Vorteil war vor allem auf eine Vorbeugung kontralateraler Mammakarzinome zurückzuführen.

Der wichtigste Nachteil der verlängerten Hormontherapie war eine beschleunigte Osteoporose, die zu vermehrten Knochenbrüchen führte. Der befürchte Anstieg von Herzerkrankungen war nicht erkennbar. Die Studie wurde auf dem Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO 2016) in Chicago vorgestellt und im New England Journal of Medicine (2016; doi: 10.1056/NEJMoa1604700) publiziert.

Die Dauer der Hormontherapie bei postmenopausalen Frauen ist in Deutschland in der Regel auf fünf Jahre beschränkt. Zur Auswahl stehen Tamoxifen oder ein Aromatase-Inhibitor. Einige Frauen beginnen die Behandlung mit Tamoxifen und führen sie mit einem Aromatase-Inhibitor weiter. In diesem Fall kann die Therapie auch auf zehn Jahre verlängert werden, davon fünf mit dem Aromatase-Inhibitor.

In Nordamerika wird diese Option häufiger eingesetzt. Sieben von zehn Frauen, die an der Studie MA.17R der Canadian Cancer Trials Group teilnahmen, hatten bereits 4,5 bis 6 Jahre Tamoxifen und im Anschluss daran fünf Jahre einen Aromatase-Inhibitor erhalten. In der Studie wurden sie dann auf weitere fünf Jahre einer Behandlung mit dem Aromatase-Inhibitor Letrozol oder auf einen Placebo-Arm randomisiert. Primärer Endpunkt war das Auftreten eines Brustkrebsrezidivs oder eine Neuerkrankung auf der anderen Seite.

Der primäre Endpunkt trat im Placebo-Arm bei 98 von 959 Patienten auf. Das krank­heitsfreie Überleben nach 5 Jahren betrug 91 Prozent. Im Letrozol-Arm kam es bei der gleichen Teilnehmerzahl nur zu 67 Rezidiven/Neuerkrankungen. Das krankheitsfreie Überleben betrug hier 95 Prozent. Paul Goss vom Massachusetts General Hospital in Boston und Mitarbeiter errechnen eine Hazard Ratio von 0,66 die bei einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,48 bis 0,91 signifikant war.

Die Wirkung war allerdings weniger auf die Vermeidung von Rezidiven als auf die Prävention von Neuerkrankungen zurückzuführen. Eine kontralaterale Brustkrebs­erkrankung (die sicher kein Lokalrezidiv ist und aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht Folge von Metastasen war) wurden unter der verlängerten Behandlung mit einem Aromatase-Inhibitor bei 13 Patientinnen diagnostiziert gegenüber 31 Patientinnen unter der Placebo-Therapie (Hazard Ratio 0,42; 0,22-0,81).

Die verlängerte Behandlung war damit in erster Linie eine Chemoprävention und keine Rezidivprophylaxe. Ob sie sinnvoll ist, hängt zum einen davon ab, ob sie die Überlebens­chancen der betroffenen Patientinnen verlängert. Dies war nicht der Fall: In beiden Gruppen kam es zu hundert Todesfällen. Zum anderen stellt sich die Frage, ob der Vorteil der Chemoprävention in einem sinnvollen Verhältnis zu den Risiken und Nebenwirkungen stehen.

Die Verträglichkeit von Letrozol war gut. Die Abbruchrate war mit 5,4 Prozent gegenüber 3,7 Prozent nur geringfügig erhöht. Dies könnte aber, wie Goss einräumt, an einer positiven Selektion gelegen hatten. Immerhin hatten alle Teilnehmerinnen zuvor bereits fünf Jahre lang Letrozol erhalten und die meisten Frauen, die davor diese Mittel nicht vertrugen, nahmen also an der Studie nicht teil. Auch die Zahl der kardiovaskulären Ereignisse, ein bekanntes und gefürchtetes Risiko von Aromatase-Inhibitoren,
war in der Studie nicht erhöht. In der Letrozol-Gruppe kam es zu 116 Ereignissen gegenüber 98 Ereignissen in der Placebo-Gruppe.  

Die einzige negative Auswirkung der Studie war eine Abnahme der Knochenmasse. Während in der Placebo-Gruppe die Knochenmasse nach dem Absetzen des Aromatase-Inhibitors um 24 Prozent in der Hüfte und um 4,5 Prozent in der Wirbelsäule anstieg, kam es im Letrozol-Arm unter der fortgesetzten Therapie mit dem Aromatase-Inhibitor zu einem Verlust um 3,2 Prozent in der Hüfte, während die Knochenmasse in der Wirbelsäule leicht um 1,3 Prozent anstieg.

Diese Unterschiede hatten nicht nur einen Anstieg in der Zahl der neuen Osteoporose-Diagnosen (bei 109 versus 54 Patienten) zur Folge. Es kam auch zu mehr Knochen­brüchen (bei 133 versus 88 Patientinnen). Die betroffenen Frauen stehen damit vor der Entscheidung ob sie dieses Risiko eingehen wollen, oder ob sie auf eine Früherkennung neuer Brustkrebstumore durch regelmäßige Mammographien setzen.

Eine prophylaktische Entfernung der anderen Brust dürfte angesichts einer Häufigkeit von kontralateralen Brustkrebserkrankungen von 0,21 Prozent pro Jahr (in der Placebo-Gruppe der Studie) eher nicht infrage kommen. © rme/aerzteblatt.de

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