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Medizin

Hirnblutung: Intensivierte Blutdrucksenkung in Mega-Studie erneut ohne Vorteile

Donnerstag, 9. Juni 2016

dpa

Minneapolis – Eine rasche intensive Blutdrucksenkung konnte in einer internationalen Studie die Prognose von Patienten mit akuten Hirnblutungen nicht verbessern. Die Ergebnisse der vorzeitig abgebrochenen Studie wurden jetzt im New England Journal of Medicine (2016; doi: 10.1056/NEJMoa1603460) veröffentlicht.

Etwa ein Zehntel aller Schlaganfälle werden durch eine akute intrazerebrale Blutung ausgelöst. Die Prognose der Patienten ist ungünstig, weil die Blutung einen steigenden Druck auf das Hirngewebe ausübt, das unter der festen Schädelkalotte nicht aus­weichen kann. Eine häufige Begleiterscheinung ist ein Anstieg des Blutdrucks.

Systolische Werte von 180 mm Hg oder mehr sind keine Seltenheit. Unter der Annahme, dass der hohe Blutdruck die Ausdehnung der Blutung fördert, wird eine rasche Blutdrucksenkung auf Normalwerte diskutiert. In der vor drei Jahren veröffentlichten INTERACT2-Studie wurde dieses Ziel nicht erreicht. Der Anteil der Patienten, die an der Hirnblutung verstarben oder eine schwere Behinderung erlitten (3 bis 6 Punkte auf der modifizierten Rankin-Skala) wurde zwar von 55,6 auf 52 Prozent gesenkt.

Die Odds-Ratio von 0,87 verfehlte bei einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,75 bis 1,01 jedoch das Signifikanzniveau. Es wurde diskutiert, ob die Blutdrucksenkung zu spät begonnen wurde (bei 41 Prozent waren vier oder mehr Stunden seit Symptombeginn vergangen) und ob die Blutdrucksenkung nicht rasch genug erfolgte (in 66 Prozent gelang es nicht, die Zielwerte innerhalb einer Stunde zu erreichen).

Die antihypertensive Treatment of Acute Cerebral Hemorrhage II (ATACH II) sollte diese Fehler vermeiden. Das Studiendesign sah vor, dass die Blutdrucksenkung bei allen Patienten innerhalb von 4,5 Stunden beginnen musste, und es gelang bei den meisten Patienten, den Zielwert innerhalb einer Stunde zu erreichen. An der Studie nahmen 1.000 Patienten aus den USA, Japan, Taiwan, China, Südkorea und Deutschland (10 Zentren) teil, bei denen in der Computertomographie eine Hirnblutung von mindestens 60 cm3 Ausdehnung diagnostiziert wurde und die zu Beginn der Behandlung  einen Glasgow Coma Scale von 5 oder mehr hatten (auf einer Skala von 3 bis 15, wobei hohe Werte einen besseren Zustand anzeigen).

Die Patienten wurden auf eine Senkung des Blutdrucks auf systolisch 140-179 mmHg, wie sie derzeit üblich ist, oder auf eine aggressive Senkung des Blutdrucks auf systolisch 110-139 mmHg randomisiert. Obwohl dieses Mal die Ausgangssituation besser war (früherer Beginn, schnellere Blutdrucksenkung), wurde das Ziel, die Prognose der Patienten zu verbessern, erneut verfehlt.

Primärer Endpunkt der ATACH II-Studie war der Tod oder eine schwere Behinderung (4 bis 6 Punkte auf der modifizierten Rankin-Skala). Er trat unter der intensiven Blutdruck­senkung bei 38,7 Prozent der Teilnehmer (186 von 481) und unter der Standard­behandlung bei 37,7 Prozent (181 von 480) auf. Adnan Qureshi von der Universität von Minnesota in Minneapolis und Mitarbeiter ermitteln ein relatives Risiko von 1,04, das bei einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,85 bis 1,27 nicht signifikant war. Die Studie, an der anfangs 1.280 Patienten teilnehmen sollten, wurde vorzeitig abgebrochen, weil auch bei einer größeren Teilnehmerzahl kein Vorteil mehr zu erwarten war.

Die intensive Blutdrucksenkung scheint den Patienten eher geschadet zu haben. Bei 9,0 Prozent kam es nach der intensiven Blutdrucksenkung in den ersten sieben Tagen nach der Behandlung zu Funktionsstörungen der Nieren. In der Vergleichsgruppe waren es nur 4,0 Prozent der Patienten. Die Rate schwerer Nebenwirkungen war mit 1,6 Prozent gegenüber 1,2 Prozent in der Vergleichsgruppe ebenfalls erhöht. © rme/aerzteblatt.de

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