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Medizin

Global Burden of Disease: Schlaganfälle zu 90 Prozent vermeidbar - Luftverschmutzung als Risiko

Sonntag, 12. Juni 2016

dpa

Auckland - Neun von zehn Schlaganfällen sind vermeidbar und fast ein Drittel ist weltweit Folge der Luftverschmutzung. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Analyse der Global Burden of Disease Study in Lancet Neurology (2016; doi: 10.1016/S1474-4422(16)30073-4).

Jedes Jahr erleiden etwa 15 Millionen Menschen einen Schlaganfall: Fast sechs Millionen sterben daran und bei weiteren fünf Millionen kommt es zu dauerhaften Behinderungen. Dazu gehören neben einer halbseitigen Lähmung auch der Verlust von Sehvermögen und/oder Sprache sowie eine Demenz.

Schon die INTERSTROKE-Studie (Lancet 2010; 376: 112–123) war zu dem Ergebnis gekommen, dass 86 Prozent aller Schlaganfälle auf neun modifizierbare Risikofaktoren zurückzuführen sind und damit im Prinzip vermeidbar wären. Valery Feigin von der Auckland University of Technology kommt in ihrer Analyse zu ähnlichen Ergebnissen: 90,5 Prozent aller Schlaganfälle sind danach auf vermeidbare Risikofaktoren zurückzuführen: Dies waren in der Rangfolge ihrer Bedeutung: Bluthochdruck, geringer Verzehr von Obst, hoher Body-Mass-Index, hoher Salzkonsum, Rauchen, geringer Verzehr von Gemüse, Luftverschmutzung in der Umwelt, Luftverschmutzung im Haushalt (durch Kohleofen und Herd), geringer Verzehr von Vollkornprodukten und hoher Blutzucker.

Ähnlich wie in der INTERSTROKE-Studie ist der größte Verlust an Lebensjahren ohne Behinderungen („disability-adjusted life years“, DALY) auf ein ungesundes Verhalten zurückzuführen. Rauchen, schlechte Ernährung und Bewegungsmangel haben laut den Berechnungen von Feigin einen Anteil von 74,2 Prozent. Das Verhalten führt zu Verschlechterungen der Stoffwechselparameter, zu denen ein hoher systolischer Blutdruck, ein hoher Body-Mass-Index, hohe Blutzuckerwerte, hohes Gesamt-Cholesterin und eine niedrige glomeruläre Filtrationsrate (als Hinweis auf eine Nierenschädigung) zählen.

Dieser „metabolische Cluster“ ist mit 72,4 Prozent aller Schlaganfälle assoziiert. Ein Unterschied zur INTERSTROKE-Studie ist ein hoher Einfluss der Luftverschmutzung in Umwelt und Haushalt. Auf sie sind nach den Berechnungen von Feigin allein 29,2 Prozent aller verlorenen DALY zurückzuführen.

Anders als die INTERSTROKE-Studie lässt die Global Burden of Disease Study eine regionale Analyse zu, auch wenn die Datenbasis ziemlich wacklig ist. Denn die meisten Länder der Erde haben keine Krankenregister. Feigin musste hier aus anderen Quellen heraus die Häufigkeit des Schlaganfalls abschätzen.

Es gibt regionale Unterschiede: Ein hoher Salzkonsum ist vor allem in ärmeren Ländern häufig, vielleicht weil dort Salz zur Konservierung von Nahrungsmitteln benötigt wird. Die ausgeprägte Luftverschmutzung ist in Südost-Asien, aber auch in Afrika südlich der Sahara eine wichtige Ursache. Der Anteil an allen verlorenen DALY beträgt dort bis zu 40 Prozent. In Russland und Weißrussland ist dagegen der Alkoholkonsum für fast 15 Prozent aller verlorenen DALY infolge von Schlaganfällen verantwortlich. 

Feigin vergleicht die Ergebnisse mit einer früheren Untersuchung der Weltgesundheits­organisation aus dem Jahr 1990. Danach ist der Einfluss des Passivrauchens zurückgegangen. Zugenommen habe dagegen der Einfluss einer ungesunden Ernährung und hier vor allem die Zunahme bei den Süßgetränken. Steuergesetze wären nach Ansicht von Feigin am ehesten geeignet, die Bevölkerung zu einem gesünderen Verhalten zu bewegen. © rme/aerzteblatt.de

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dr.med.thomas.g.schaetzler
am Dienstag, 14. Juni 2016, 14:03

Smog-Stroke-Infarkt-Demenz

Fast ein Drittel aller Schlaganfälle ("stroke") soll weltweit Folge der Luftverschmutzung sein. Das klinisch so relevante Vorhofflimmern tritt dagen als Ursache rein statistisch gesehen zurück. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Analyse der Global Burden of Disease Study in Lancet Neurology (2016)
doi: 10.1016/S1474-4422(16)30073-4)

Dass nicht nur akute Koronarsyndrome (ACS), sondern auch manche Schlaganfälle durchaus Smog- und Feinstaub-bedingt sind, belegte schon eine Studie im Fachmagazin “Stroke” mit dem Titel “Long-Term Exposure to Fine Particulate Matter, Residential Proximity to Major Roads and Measures of Brain Structure” von E. H. Wilker et al.
doi: 10.1161/STROKEAHA.114.008348; 2015

Diese wird ergänzt durch eine Metaanalyse über Kurzzeit-Effekte: “Short term exposure to air pollution and stroke: systematic review and meta-analysis” von Anoop Shah (Universität Edinburgh/GB) im British Medical Journal - BMJ 2015; 350: h1295 - bei Feinstaub-Exposition, Schlaganfall-Häufung und Smog-Alarm.

Eine ältere Publikation im BMJ von 2011 (doi:10.1136/bmj.d5531) belegt ACS- und Myokard-Infarkt-Häufung unter dem Einfluss von Luftverschmutzung: “The effects of hourly differences in air pollution on the risk of myocardial infarction: case crossover analysis of the MINAP database” von K Bhaskaran et al. sollte belegen, dass hochgradige Umweltbelastungen mit erhöhter myokardialer Morbidität korrelieren.

Die spezifische Erhöhung des Myokardinfarktrisikos ist in vereinzelten Studien als Kurz-Zeit-Effekt wenige Stunden nach Atemluftbelastung nachgewiesen worden. Im BMJ wurde der Einfluss der als Feinstaub PM10 (‘pollution model’) bezeichneten Staub-Fraktion (50% der Teilchen mit einem Durchmesser von 10 µm) u n d Stickstoffdioxyd NO2 auf die Ereignisrate in 15 Regionen Groß-Britanniens bei STEMI-, Non-STEMI-Herzinfarkten und Troponin-positivem akutem Koronarsyndrom (ACS) in den Krankenhausberichten untersucht. Dabei waren Ozon- und Kohlenmonoxid- (CO) Luftbelastungen überraschenderweise eher kardioprotektiv wirksam bzw. Schwefeldioxid (SO2) ohne messbare Auswirkung. Das Risiko eines Herzinfarktes war allerdings nur bis zu 6 Stunden nach Exposition mit höherer verkehrsbedingter Luftverschmutzung von PM10 und NO2 erhöht (“Myocardial infarction risk was transiently increased up to 6 hours after exposure to higher levels of the traffic associated pollutants PM10 and NO2?).

In einer weiteren Studie in “Circulation” wurden Langzeit-Effekte von Luftverschmutzung auf die erhöhte Mortalität nach stattgehabtem Myokardinfarkt in Abhängigkeit von der Nähe des Wohnortes zu vielbefahrenen und auch lauten Hauptverkehrsstraßen untersucht: “Residential Proximity to Major Roadway and 10-Year All-Cause Mortality After Myocardial Infarction” von J. I. Rosenbloom et al. Diese Circulation-Studie kann Erkenntnislücken natürlich nicht vollständig schließen, beschreibt aber zusätzlich nachweislich die erhöhte Mortalität bei stattgehabtem Myokardinfarkt in Abhängigkeit von der Nähe des Wohnortes zu vielbefahrenen und auch lauten Hauptverkehrsstraßen. Circulation. 2012; 125: 2197-2203
http://circ.ahajournals.org/content/125/18/2197.abstract

Wiederholte Schlaganfälle können multilokulär auftretend eine Demenzentwicklung begünstigen. Die bei älteren Patientinnen und Patienten beschriebene Leukenzephalopathie kann durchaus viel häufiger Feinstaub- und Smog-Folge sein, als bisher angenommen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund
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