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Medizin

ALL: Immun-Konjugat bildet Brücke zur kurativen Behandlung

Dienstag, 14. Juni 2016

Houston/Texas – Der Antikörper Inotuzumab, der das Zytostatikum Calicheamicin gezielt in Leukämiezellen transportiert, hat in einer offenen Phase-3-Studie bei Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL) nach dem Versagen anderer Medikamente häufig eine Remission erzielt, die den Patienten die Option auf eine potenziell kurative Stammzelltherapie eröffnet. Eine lebensverlängernde Wirkung konnte nicht bewiesen werden. Die Ergebnisse wurden auf dem Jahreskongress der European Hematology Association in Kopenhagen vorgestellt und im New England Journal of Medicine (2016; doi: 10.1056/NEJMoa1509277) publiziert.

Während die ALL im Kindesalter häufig geheilt werden kann, sind die Ergebnisse im Erwachsenenalter nicht so günstig. Die Behandlung besteht aus einer Chemotherapie gefolgt von einer allogenen Stammzelltransplantation. Die Stammzelltherapie bietet eine Heilungschance. Sie ist aber nur möglich, wenn die Chemotherapie die Leukämie vorher weitgehend beseitigt und eine vollständige Remission erzielt, was derzeit nur selten erreicht wird.

Inotuzumab-Ozogamicin ist hier ein neuer Therapieansatz. Das Mittel gehört zu den Antikörper-Toxin-Konjugaten. Es besteht zum einen aus dem Antikörper Inotuzumab. Er bindet am Protein CD22, das bei 90 Prozent aller Patienten auf der Oberfläche der Leukämiezellen vorhanden ist. Nach der Bindung wird das Antikörper-Toxin-Konjugat von der Zelle aufgenommen. Dann führt der zweite Bestandteil, das Zytostatikum Calicheamicin den Zelltod herbei.

Nach vielversprechenden Ergebnissen einer Phase-2-Studie wurde Inotuzumab-Ozogamicin seit August 2012 an Patienten mit ALL eingesetzt. An der offenen Phase-3-Studie nahmen an 197 Zentren in 18 Ländern (mit deutscher Beteiligung) 326 erwachsene Patienten mit CD22-positiver ALL teil, bei denen eine frühere Chemo­therapie keine Remission erzielt hatte oder es frühzeitig zu einem Rezidiv gekommen war. Die Patienten wurden zu gleichen Teilen einer erneuten Chemotherapie oder einer Behandlung mit Inotuzumab-Ozogamicin zugeteilt. Hagop Kantarjian vom MD Anderson Cancer Center in Houston und Mitarbeiter stellten jetzt die Ergebnisse der ersten 208 Patienten vor.

Primärer Endpunkt der Studie war zum einen der Anteil der Patienten, die eine komplette Remission erzielten, die sie für eine Stammzelltransplantation qualifiziert. Im Inotuzumab-Ozogamicin-Arm erreichten 88 Patienten (80,7 Prozent) dieses Ziel. Unter einer konventionellen Chemotherapie waren es nur 32 Patienten (29,4 Prozent). Im Inotuzumab-Ozogamicin-Arm wurde bei 45 Patienten (41 Prozent) eine Stamm­zelltherapie durchgeführt gegenüber 12 Patienten (11 Prozent) in der Vergleichsgruppe. Die Unterschiede waren statistisch signifikant.

Ob allerdings die Option zur Stammzelltherapie die Überlebenschancen verbessert, ist noch unklar. Die mediane Gesamtüberlebenszeit, der zweite primäre Endpunkt der Studie, wurde laut Kantarjian nur von 6,7 auf 7,7 Monate verlängert. Der Unterschied war nicht signifikant. Es gibt jedoch Langzeiterfolge. Im Inotuzumab-Ozogamicin lebten nach zwei Jahren noch 23 Prozent der Patienten gegenüber 10 Prozent nach der Standardtherapie. Auch hier war der Unterschied noch nicht signifikant. In der Kaplan-Meier-Überlebenskurve wurde jedoch ein Plateau erreicht, was auf einen langfristigen Erfolg bei diesem Teil der Patienten hindeutet.

Der Preis für diese Rettungschance besteht in einer erhöhten Rate von Komplikationen, die vor allem in einer Zytopenie bestand (16 versus 22 Prozent). Die wichtigsten Nebenwirkungen von Inotuzumab-Ozogamicin waren Übelkeit (32 Prozent), Kopf­schmerzen (28 Prozent) und eine Pyrexie (27 Prozent). Die konventionelle Chemo­therapie führte vor allem zu Übelkeit (47 Prozent), Pyrexie (43 Prozent) und Durchfall (40 Prozent).

Ob die Ergebnisse für eine Zulassung ausreichen, bleibt abzuwarten. Der Hersteller hat im Oktober letzten Jahres bei der US-Arzneibehörde FDA eine Einstufung als „Break­through Therapy“ erreicht, die das Zulassungsverfahren beschleunigt. Inotuzumab-Ozogamicin wäre das zweite Immunkonjugat. Das erste war Gemtuzumab-Ozogamicin, das als Mylotarg im Jahr 2000 in den USA zur Behandlung zugelassen wurde. Es wurde jedoch 2010 wieder vom Markt genommen wurde. Die europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hatte 2008 einen Zulassungsantrag abgewiesen. © rme/aerzteblatt.de

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