NewsÄrzteschaftChronischer Schmerz: Therapeuten fordern flächendeckende Versorgung
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...

Ärzteschaft

Chronischer Schmerz: Therapeuten fordern flächendeckende Versorgung

Dienstag, 14. Juni 2016

/dpa

Berlin ­– „Traumberuf Schmerztherapeut“ lautete der Titel der Jahrestagung des Berufs­verbands der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Pallia­tiv­medizin (BVSD), die am 10. Juni in Berlin stattfand. „Ein Traumberuf könnte der Schmerz­­therapeut für Medizinstudenten auch sein, denn für eine adäquate Versorgung von Schmerzpatienten ist das für sie attraktive interdisziplinäre Arbeiten im Team erforderlich“, betonte der Vorsitzende des BVSD, Joachim Nadstawek. „Tatsächlich aber werden wir unterschätzt, fühlen uns an den Rand gedrängt und unsere Arbeit wird nicht adäquat vergütet.“ Entsprechend gebe es zu wenige Schmerztherapeuten für sehr viele Patienten mit chronischen Schmerzen.

Erhebungen der Barmer GEK zufolge gibt es in Deutschland rund 3,25 Millionen Menschen, die an chronischen Schmerzen leiden. Rund 655.000 wurden nach Angaben des Bundes­gesundheitsministeriums (BMG) 2014 ambulant therapiert. An der qualitäts­gesicherten ambulanten Versorgung entsprechend der Schmerztherapie-Vereinbarung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) nahmen zuletzt bundesweit 1.102 Ärzte teil. 381 von ihnen behandelten ausschließlich Schmerz­patienten. Nach Angaben der Barmer GEK benötigen rund zehn Prozent (300.000 Menschen) der chronischen Schmerzpa­tienten eine multimodale Schmerztherapie. 2014 wurden aber nur 61.000 entsprechend versorgt.

Interdisziplinäres Arbeit nur im Rahmen von Selektivverträgen möglich
Der „Ca­sus knack­tus“ sei, dass interdisziplinäres Arbeiten – zusammen mit Physiothera­peuten, Ergotherapeuten und Psychologischen Psychotherapeuten – im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) nicht abgebildet sei, erklärte BVSD-Vorsitzender Nadstawek. „Interdisziplinäres Arbeiten ist zurzeit nur im Rahmen von Verträgen der Integrierten Versorgung (IV) möglich.“ Der BVSD habe zwar IV-Vertragskonzepte initiiert und an zehn Standorten bundesweit umgesetzt. Doch von einer flächendeckenden schmerzmedizi­nischen Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen sei man weit entfernt.

Der BVSD forderte auf der Jahrestagung von der Selbstverwaltung erneut, eine flächen­deckende Versorgung sicherzustellen. „Dazu bedarf es unter anderem Regelun­gen in der Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses, die dazu führen, dass die Zulassungsausschüsse bei der Neubesetzung von Arztsitzen mit Versorgungs­schwerpunkten in Schmerz- oder Palliativmedizin diese wieder gezielt an Ärzte vergeben, die hier tätig sind“, erklärte Nadstawek. Anreize müssten geschaffen werden, damit künftig mehr Ärzte eine Weiterbildung in spezieller Schmerztherapie absolvierten. „Wenn das alles nicht hilft, brauchen wir einen Facharzt für Schmerzmedizin – die Voraus­setz­ung für eine eigene Bedarfsplanung.“

Zeitintensiv und schwierig
„Schmerz wird in seiner Wertigkeit nicht so wahrgenommen, wie er sollte und in den Klassifikationssystemen wie ICD-10 und EBM auch nicht so abgebildet“, sagte Bernhard Gibis, Leiter des Dezernats Verträge und Vorordnungsmanagement der KBV, bei der Podiumsdiskussion im Rahmen der Jahrestagung. Er sprach sich dafür aus, dahin­gehend „Verbindlichkeiten festzulegen“. So müsse beispielsweise beachtet werden, dass der chronische Schmerzpatient „sehr zeitintensiv und häufig schwierig“ sei. Das werde meist unterschätzt, sollte aber auch in der Honorierung von Hausärzten oder Orthopäden entsprechend abgebildet werden. Grundsätzlich forderte auch Gibis eine integrierte interdisziplinäre Versorgung von Schmerzpatienten.

Die gesundheitspolitische Sprecherin von Bündnis90/Die Grünen, Maria Klein-Schmeink, bedauerte, dass „IV-Verträge nicht in die Fläche kommen“. Alle Fachbereiche, die darauf angewiesen sind, interdisziplinär zu arbeiten, hätten es schwer, und wenn die Arztgruppe klein sei, sei es umso schwieriger. „Aus Sicht der Patienten ist das untragbar.“ Für die Schmerztherapie hält sie auch das „Denkmodell der Sozial­psychiatrie-Vereinbarung nach § 85 SGB V geeignet“. Klein-Schmeink wünschte sich, dass Erfahrungen aus der IV-Ver­sorgung verpflichtend in die Regelversorgung übertragen werden müssen.

Qualifikationen in breite Versorgung bringen
Der Vertreter des Verbands der Ersatzkassen (vdek), Boris von Maydell, betonte, dass die Kassen natürlich ein Interesse daran hätten, dass sich in der Versorgung von Schmerzpatienten etwas verbessert. „Wir haben keine adäquate Vernetzung und in Bezug auf Schmerz ist das Problem besonders groß.“ Die „Rettung“ sieht von Maydell indes nicht in Form von Selektivverträgen, weil es nicht genügend Schmerztherapeuten gebe. Schmerztherapeutische Qualifikationen sollten seiner Ansicht nach mehr in die Breite der Versorgung gebracht werden, mit dem Hausarzt als Case-Manager. © pb/aerzteblatt.de

Kommentare

Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.
Avatar #714251
Frau N.
am Mittwoch, 15. Juni 2016, 09:55

Der Casus knacktus ...

... müsste laut Duden ein "Casus knacksus" sein.
LNS
LNS

Fachgebiet

Stellenangebote

    Weitere...

    Aktuelle Kommentare

    Archiv

    NEWSLETTER