NewsMedizinAntibiotika verhindern, dass Stillen vor Infektionen und Übergewicht schützt
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...

Medizin

Antibiotika verhindern, dass Stillen vor Infektionen und Übergewicht schützt

Dienstag, 14. Juni 2016

/dpa

Helsinki - Gestillte Kinder erkranken seltener an Infektionen und sie sind im späteren Leben seltener übergewichtig – solange sie nicht während der Stillzeit mit Antibiotika behandelt werden. Der Verlust der protektiven Wirkungen durch das Stillen ging in einer Studie in JAMA Pediatrics (2016; doi: 10.1001/jamapediatrics.2016.0585) mit Veränderungen der Darmflora einher.

Muttermilch ist in ihrer Zusammensetzung nicht nur auf die Nährstoffbedürfnisse des Säuglings optimal angepasst. Sie enthält auch Abwehrstoffe, die den Säugling während der Stillzeit vor Infektionen schützt. Gestillte Kinder sind deshalb im späteren Leben seltener übergewichtig und sie müssen seltener mit Antibiotika behandelt werden. Diese protektiven Wirkungen, die bereits in früheren Untersuchungen aufgefallen waren, konnte Katri Korpela von der Universität Helsinki jetzt auch in einer Kohorte von 226 finnischen Kindern nachweisen, die sie bis zum Alter von zwei bis sechs Jahren nachbeobachtet hat.

Jeder zusätzliche Monat des Stillens senkte die Zahl der späteren Antibiotika-Verordnungen um 5 Prozent. Wenn die Kinder allerdings bereits während des Stillens mit Antibiotika behandelt wurden, war der Schutzeffekt abgeschwächt. Jeder Monat des Stillens senkt die Zahl der späteren Antibiotika-Verordnungen nur noch um 4 Prozent. 

Noch deutlicher waren die Auswirkungen auf das spätere Übergewicht. Auch hier hatten gestillte Kinder später einen niedrigen Body-Mass-Index und der Effekt war um so stärker, je länger sie gestillt wurden. Hatten die Kinder allerdings während der Stillzeit Antibiotika erhalten, war dieser protektive Effekt komplett aufgehoben.

Korpela vermutet die Ursache für die Wechselwirkung von Stillen und Antibiotika auf Infektionen und Gewichtsentwicklung in der Darmflora. Tatsächlich zeigen die Stuhlproben, dass Kinder, die lange gestillt werden und keine Antibiotika erhalten haben, mehr Bakterien der Gattungen Bifidobacterium und Akkermansia im Darm haben. Diese Darmbakterien haben in Tierexperimenten Nager vor einem Übergewicht geschützt, berichtet Korpela. Den Mechanismus vermutet sie in einer vermehrten Bildung von kurzkettigen Fettsäuren, die sich auf die Sättigung der Säuglinge auswirken könnten. Der Schutz vor Infektionen könnte durch eine Stabilisierung der Darmbarriere zustande kommen, so die Forscherin. 

Die Studie ist nicht die erste, die die Stilldauer mit dem Infektionsrisiko oder späteren Gewichtsproblemen in Verbindung bringt. Die Datenlage ist jedoch nicht so eindeutig, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mag, schreiben Giulia Paolella von der Universität Mailand und Pietro Vajro von der Universität Salerno im Editorial. Sie verweisen auf eine jüngst in JAMA (2016; 315: 1258-65) publizierte Zwillingsstudie, in der Antibiotika-Behandlungen in den ersten sechs Monaten keinen Einfluss auf die spätere Gewichtsentwicklung hatten. Es gebe viele Gründe, die Antibiotika-Exposition in den ersten Lebensmonaten zu begrenzen, die Gewichtszunahme gehöre jedoch wahrscheinlich nicht dazu, hatten Jeffrey Gerber von der Perelman School of Medicine in Philadelphia und Mitarbeiter in der Studie gefolgert.

Alle Studien, die den Einfluss von Antibiotika auf spätere Infektionen und Übergewicht untersucht haben, waren retrospektiv und damit anfällig für Verzerrungen. Um den Zusammenhang zweifelsfrei zu beweisen, müsste im Idealfall eine randomisierte klinische Studie durchgeführt werden: Dort würde dann das Los entscheiden, ob Säuglinge gestillt werden oder Ersatznahrung erhalten und ob sie im Fall einer Infektion mit Antibiotika oder Placebo behandelt werden. Es ist nur schwer vorstellbar, dass Mütter zur Teilnahme an einer solchen Studie gewonnen werden könnten.

© rme/aerzteblatt.de

Kommentare

Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.
Avatar #697854
Dr.Bayerl
am Sonntag, 10. Juli 2016, 20:55

Es ist auch schwer vorstellbar, dass ein Arzt sich an so einem Unsinn (doppelblind) beteiligt.

Offensichtlich war kein einziger Arzt an dieser Studie beteiligt.
Sonst hätte man nicht die Antibiotika, sondern die Erkrankung, weswegen Antibiotika gegeben wurde, als Ursache der Entwicklungsdifferenz vermutet.
LNS
LNS LNS LNS

Fachgebiet

Stellenangebote

    Weitere...

    Aktuelle Kommentare

    Archiv

    NEWSLETTER