Medizin
Opioide erhöhen Sterberisiko in der Schmerztherapie
Mittwoch, 15. Juni 2016
Nashville/Tennessee – Überdosierungen sind nicht das einzige tödliche Risiko von lang-wirksamen Opioiden in der Schmerztherapie. In einer Auswertung von Versichertendaten im US-amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2016; doi: 10.1001/jama.2016.7789) war das Sterberisiko von Nicht-Krebs-Patienten höher als nach einer Behandlung mit anderen Schmerzmitteln. Zwei Drittel der Todesfälle standen nicht mit einer Überdosierung in Verbindung.
US-Ärzte verschreiben ihren Schmerzpatienten keineswegs immer Opioide. Antikonvulsiva wie Gabapentin oder Pregabalin sowie trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin werden bei chronischen Schmerzen weitaus häufiger eingesetzt. Von den etwa 150.000 nicht an Krebs leidenden Schmerzpatienten, deren Daten Wayne Ray von der Vanderbilt University School of Medicine in Nashville ausgewertet hat, hatten nur etwa 23.000 lang-wirksame Opioide erhalten.
Um die Wirkstoffe fair miteinander vergleichen zu können, stellte Ray 22.912 Patienten, die mit Opioiden behandelt wurden, einer gleichen Zahl von Patienten gegenüber, die andere Schmerzmittel erhalten hatten. Dabei achtete er darauf, dass Alter und Geschlecht der Patienten sowie die Krankheitsdiagnosen und die Begleitmedikation möglichst gleich verteilt waren.
Von den 22.912 Schmerzpatienten, die Opiode erhalten hatten, starben 185 in den ersten 176 Tagen nach Beginn der Behandlung. In der Vergleichsgruppe, wo andere Schmerzmittel verordnet wurden, waren es 87 Todesfälle in 128 Tagen. Ray ermittelt eine Hazard Ratio für die Gesamtmortalität von 1,64 (95-Prozent-Konfidenzintervall 1,26-2,12). Auf 10.000 Personenjahre kamen 68,5 zusätzliche Todesfälle. Das entspricht einem Todesfall auf 145 behandelte Patienten.
Die Differenz wurde vor allem durch eine 1,9-mal höhere Zahl von Todesfällen erklärt, die außerhalb der Klinik auftraten. Diese zusätzlichen Todesfälle wurden zu weniger als einem Drittel auf eine Überdosierung des Opioids zurückgeführt. In mehr als der Hälfte wurden Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Todesursache angegeben, was Ray für glaubwürdig hält (auch wenn die Totenschau häufig fehlerhaft ist). Gegen die Vermutung, dass Überdosierungen übersehen wurden, spricht, dass das Sterberisiko auch bei niedrigen Opioid-Dosierungen erhöht war. Auffällig war, dass viele Todesfälle bereits in den ersten 30 Tagen nach Beginn der Therapie auftraten.
Für Ray sind die Ergebnisse ein weiteres Argument dafür, in der Schmerztherapie von nicht an Krebs erkrankten Patienten nach Möglichkeit auf Opioide zu verzichten. Antikonvulsiva und trizyklische Antidepressiva könnten vor allem bei neuropathischen Schmerzen häufig eine ebenso gute Wirkung erzielen, die mit geringeren Risiken verbunden seien. © rme/aerzteblatt.de

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