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Brexit: Vorteile für Verbleib in der EU „überwältigend“

Donnerstag, 16. Juni 2016

/dpa

London – Über den Zeitraum von fünf Wochen veröffentlichte das British Medical Journal (BMJ) eine Serie von Berichten mit Argumenten, in der EU zu bleiben oder sie zu verlassen. Dargestellt wurden unter anderem auch mögliche Auswirkungen auf das Gesundheits­system, den staatlichen National Health Service (NHS). Zu Wort kamen Gegner und Befürworter des Brexit. Nun haben die Autoren des Journals ein eindeutiges Fazit gezogen: Großbritannien muss in der Europäischen Union verbleiben.

Argumente sprechen eindeutig für den Verbleib in der EU
Grund dafür, dass sich die Autoren in die politische Debatte einmischen, seien „erheb­liche Konsequenzen“ auf Gesundheit und Gesellschaft. Die Berichte der Serie hätten deutlich gemacht, dass die Argumente für einen Verbleib in der EU „über­wältigend“ seien und „dass keine Zeit mehr für eine ausgewo­gene Berichterstattung bleibt“. „Wir haben realisiert, dass wir nicht eine herausragende nationale medizinische Organisation, Forschungsorganisation oder Gesundheitsorga­nisa­tion benennen können, die sich für den Brexit ausgesprochen hat“, so die Autoren im BMJ.

Argumente der Brexit-Befürworter, dass – sollte Großbritannien in der EU verbleiben – das Gesundheitssystem von Einwanderern überschwemmt werde und diese das System überlasteten – seien widerlegt worden. Aus Sicht der BMJ-Autoren zeige schon ein Blick auf die jüngsten Auswirkungen der Einwanderung nach Großbritannien, dass die Migranten, die in die EU kommen, in der Tendenz jünger seien und wenig Gebrauch vom Gesundheitssystem machten. Einige kehrten sogar nach Hause zurück, weil sie dort schneller als in Großbritannien Zugang zu Spezialisten erhalten würden.

Ökonomen waren vor negativen wirtschaftlichen Folgen
In der vergangenen Woche hatte der Economist berechnet, dass der Brexit Auswir­kungen auf die Wirtschaft haben wird. Bezogen auf den Gesundheitssektor würden die Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben bis 2020 um etwa 135 Pfund (170 Euro) geringer ausfallen, als bei einem Verbleib in der EU. Die Ökonomen warnten, zu einem Zeitpunkt, da das NHS ohnehin angeschlagen sei, könne man es nicht riskieren, es finanziell „weiter unter Druck zu setzen“. 

Sie wiesen zudem darauf hin, dass London der Sitz der Europäischen Arzneimittel­agentur ist. Dieser müsste verlegt werden, sollten die Brexit-Befürworter am 23. Juni in der Abstimmung gewinnen. Als problematisch werden die Folgen eines EU-Austrittes für Forscher beurteilt. Selbst wenn man weiterhin Zugang zu Forschungs­geldern aus der EU habe, werde man keinen Einfluss mehr auf die Gestaltung von Forschungs­programmen haben, hieß es im Economist.

Forschungsverluste befürchtet
Erst kürzlich hatte das Lords Science Committee des britischen Parlaments vor Millionen­verlusten für die britische Forschung gewarnt, wie der Guardian berichtete. Demnach zahlte Großbritannien zwischen 2007 und 2013 zwar fast 4,3 Milliarden Pfund (5,16 Milliarden Euro) an die EU für Forschungsprojekte, erhielt im gleichen Zeitraum jedoch fast 7 Milliarden Pfund (8,8 Milliarden Euro) zurück, wie der Ausschuss bekannt­gab. Das Plus von 2,7 Milliarden Pfund (3,4 Milliarden Euro) bedeute Mehreinnahmen von 300 Millionen Pfund (377 Millionen Euro) pro Jahr. „Wir bekommen mehr an Forschungsgeldern aus der EU als wir an die EU abgeben“, sagte John Palmer, Earl of Selborne, und pro-Europa eingestellter Vorsitzender des Ausschusses, der Zeitung.

Ähnlich äußerte sich die ehemals EU-kritische Sarah Wollaston in einem Artikel im BMJ. Sie sei überzeugt, dass demokratische Reformen in der EU nötig seien. Die Vorteile zugunsten eines Verbleibs in der EU für das britische Gesundheitssystem und die Forschung seien aber „überwältigend“, schrieb Wollaston, Mitglied des britischen Parlaments und Vorsitzende des britischen Gesundheitsausschusses. Sie betonte, die Herausforderungen für das Gesundheitssystem seien nicht die Zuwanderer, sondern die komplexen Langzeitveränderungen. Auch glaubt sie, dass ein Stopp des freien Zugangs zum NHS und des Zugangs für Pflegepersonal ernsthafte Konsequenzen für die Behandlung von Patienten haben würde.

Großbritanniens Austritt eine Herausforderung, aber keine Katastrophe
EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis sieht unterdessen in einem möglichen Brexit nicht das Anfang vom Ende der Europäischen Union. „Großbritanniens Austritt wird eine sehr große Herausforderung sein, aber natürlich keine Katastrophe“, sagte er heute im litauischen Radio. „Wenn Deutschland oder Frankreich sich entschieden auszutreten, dann wäre es eine größere Herausforderung. Dann würden wir beginnen, über einige negative Szenarien zu reden.“

Andriukaitis zufolge untersucht die EU-Kommission die geopolitischen und technischen Folgen eines britischen Ausscheidens aus der Staatengemeinschaft. Prognosen über das Ende oder einen Kollaps der EU schenke er aber keinen Glauben. „Ich gehöre zu denen, die unter den gegenwärtigen Umständen glauben, dass die EU die Krise überstehen wird“, sagte Andriukaitis nach Angaben der Agentur BNS.

Die Briten stimmen am 23. Juni in einem Referendum über den Verbleib in der EU ab. © may/dpa/aerzteblatt.de

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