Medizin
Netzwerk-Meta-Analyse: Was wirkt bei Zwangsstörungen am besten?
Freitag, 17. Juni 2016
London – Die Behandlungsoptionen bei Zwangsstörungen scheinen fast so variantenreich zu sein, wie die Gedanken und Handlungen, von denen die Betroffenen nicht ablassen können. Eine Netzwerk-Meta-Analyse in Lancet Psychiatry (2016; doi: 10.1016/S2215-0366(16)30069-4) versucht, eine Ordnung in das Chaos zu bringen.
Netzwerk-Meta-Analysen vergleichen verschiedene Therapien mit dem Ziel, eine Hierarchie der Effektstärke zu ermitteln. Das Unternehmen wird umso schwieriger, je höher die Anzahl der angebotenen (und in Studien untersuchten) Therapien ist. Petros Skapinakis vom University College London und Mitarbeiter hatten sich deshalb keine leichte Aufgabe vorgenommen. Zu Zwangsstörungen waren seit 1980 insgesamt 17 verschiedene Behandlungsmöglichkeiten vorgeschlagen und in verwertbaren klinischen Studien untersucht worden. Von 136 möglichen Vergleichen (Head-to-Head-Studien) zwischen zwei Therapien waren nur 37 durchgeführt worden.
In den meisten Studien wurden Medikamente untersucht. Meist waren dies selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder das trizyklische Antidepressivum Clomipramin, das im Ruf steht, bei Zwangsstörungen besonders gut zu wirken. Skapinakis kann dies nur teilweise bestätigen. In der Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale (YBOCS) führte Clomipramin zu einer Verbesserung um 4,72 Punkte. Das war mehr als für die untersuchten sechs SSRI, die die YBOCS um 3,42 bis 3,60 Punkte verbesserten. Der Unterschied zu Clomipramin war jedoch nicht signifikant.
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Psychotherapien erzielten in der Regel eine bessere Wirkung. Verhaltenstherapien besserten den YBOCS nach den Berechnungen von Skapinakis um 14,48 Punkte, bei den kognitiven Therapien war es ein Unterschied um 13,36 Punkte zur Vergleichsgruppe. Die heute bevorzugte kognitive Verhaltenstherapie schnitt mit einer Verbesserung um 5,37 Punkten jedoch überraschend schwach ab.
Hypericum enttäuschte dagegen. Die Effektstärke betrug nur 0,15 Punkte: Johanniskrautextrakte sind in der Behandlung von Zwangsstörungen nur ein Placebo. Eine wichtige Einschränkung ist, dass die Psychotherapien in den Studien mit Medikamenten kombiniert waren. Es ist deshalb nicht bekannt, wie stark eine Psychotherapie ohne Unterstützung eines SSRI oder eines anderen Medikaments ausfallen würde.
Hinzu kommt, dass die Meta-Analyse nur einen Teil der heute angebotenen Therapien abdeckt. Bei therapierefraktären Patienten werden heute auch Antipsychotika, Memantin, Riluzol, Ketamin, Ondansetron, Lamotrigin, Topiramat, Pregabalin oder Gabapentin eingesetzt. Relativ neu sind somatische Therapien wie die tiefe Hirnstimulation, die transkranielle Magnetstimulation oder eine limbische Chirurgie. Die psychologischen Therapien wurden um eine Psychoedukation, Familientherapie, motivierende Gesprächsführung oder eine intensivierte stationäre Psychotherapie ergänzt. Außerdem gibt es zahlreiche gemischte Therapien, beispielsweise D-Cycloserin zur Wirkungssteigerung von Verhaltenstherapien. © rme/aerzteblatt.de

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