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Medizin

Schwangerschaft: Cannabis stört Hirnentwicklung anders als Rauchen

Donnerstag, 23. Juni 2016

dpa

Rotterdam – Ein Cannabiskonsum während der Schwangerschaft führt zu Verän­derungen der Hirnentwicklung beim Feten, die in einer Studie in Biological Psychiatry (2016; 79: 971-979) im Vorschulalter von acht Jahren in der Kernspintomographie erkennbar waren, sich dabei aber von den Auswirkungen des Rauchens unterschieden.

Durch die Legalisierung von Marihuana steigt in den USA die Zahl der Kinder, die während der Schwangerschaft mit der Cannabis-Droge exponiert werden. Die Folgen für die kindliche Entwicklung sind derzeit wenig erforscht, da aber die Rezeptoren für Endocannabinoide bereits in der früheren Embryonalentwicklung im Gehirn nachweisbar sind, befürchten viele Experten, dass eine intrauterine Exposition die Entwicklung der Kinder nachhaltig stören könnte.

Die SCOPE-Studie kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass in Australien, wo Cannabis eine weit verbreitete Freizeitdroge ist, 12 Prozent aller Frühgeburten auf eine intrauterine Exposition zurückzuführen sein könnten (Reproductive Toxicology 2016; 62: 77-86). Jetzt stellen Psychiater aus den Niederlanden, ebenfalls ein Land mit einem hohen Cannabis-Konsum, Daten aus einer weiteren Langzeitstudie vor.

Die Generation-R-Studie begleitet derzeit fast 10.000 Kinder aus Rotterdam seit der Schwangerschaft ihrer Mütter. Die ersten Kinder waren zwischen 6 und 8 Jahre alt, als Hanan El Marroun von der Erasmus Universität kernspintomographische Unter­suchungen bei 54 Kindern anfertigen ließ, deren Mütter einen Cannabis-Konsum in der Schwangerschaft angegeben hatten. Da die meisten Frauen auch geraucht hatten, verglich der Forscher die Bilder mit den Aufnahmen von 96 Kindern, deren Mütter ausschließlich geraucht hatten sowie mit einer Gruppe von 113 Kindern, die intrauterin weder mit Tabakrauch noch mit Cannabis exponiert worden waren.

Während El Marroun im Gesamtvolumen des Gehirns sowie bei der grauen und weißen Hirnsubstanz keine Unterschiede zwischen den drei Gruppen fand, gab es Auffälligkeiten in der Großhirnrinde. Er war bei Kindern, die intrauterin mit Cannabis exponiert waren, im Bereich des frontalen Cortex verdickt. Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft Tabak geraucht hatten, wiesen vor allem eine Verdickung im Bereich des Gyrus frontalis superior und des Gyrus superior frontalis und des Lobulus parietalis superior auf.

Welche Folgen diese Veränderungen in der Stärke der Großhirnrinde für die Entwicklung der Kinder haben, kann die Studie nicht klären. Der frontale Cortex ist Sitz der „exe­kutiven“ Funktionen, das sind die planerischen Leistungen, die im weitesten Sinn als Verstand bezeichnet werden. Von der Funktion von Gyrus superior frontalis und Lobulus parietalis superior gibt es dagegen nur sehr allgemeine Vorstellungen. Es handelte sich um Assoziationszentren, die den benachbarten Cortex-Arealen „zuarbeiten“. Beim Gyrus superior frontalis könnte dies der frontale Cortex und beim Gyrus superior frontalis der somatosensible Cortex sein, eine Umschaltstation für Signale, die aus der Peripherie in der Großhirnrinde eintreffen.

Eine Reihe von epidemiologischen Studien zeigt, dass Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft Marihuana konsumiert haben, häufiger kognitive Nachteile haben und Verhaltensauffälligkeiten aufweisen. Die Studien können aber den Einfluss der Droge von andern negativen sozialen Rahmenbedingungen der Kinder nur schwer trennen. Das American College of Obstetricians and Gynecologists hat im letzten Jahr in einer Stellungnahme vor den potenziellen Gefahren des Marihuana-Konsums in der Schwangerschaft gewarnt. © rme/aerzteblatt.de

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