Medizin
Krebs: Autoimmunerkrankungen durch Checkpoint-Inhibitoren
Freitag, 24. Juni 2016
Baltimore – Die Checkpoint-Inhibitoren Ipilimumab und Nivolumab, die im Immunsystem einen Selbstschutz gegen Autoimmunerkrankungen blockieren, können eben diese Erkrankungen auslösen. Rheumatologen einer US-Klinik berichten in den Annals of Rheumatic Diseases (2106; doi: 10.1136/annrheumdis-2016-209595) über eine zunehmende Zahl von Krebspatienten, die über Gelenkbeschwerden oder ein Sicca-Syndrom klagen.
Krebszellen können sich dem Angriff des Immunsystems entziehen, indem sie bestimmte Rezeptoren auf Abwehrzellen stimulieren. Sie nutzen dabei einen Mechanismus, der normalerweise dazu dient, eine überschießende Immunabwehr und den Angriff der Immunzellen auf körpereigene Zellen, sprich eine Autoimmunreaktion, zu verhindern. Die Checkpoint-Inhibitoren Ipilimumab und Nivolumab blockieren auf unterschiedliche Weise diesen Selbstschutz. Beide Medikamente haben in den letzten Jahren die Behandlung von „immunsensitiven“ Tumoren wie Melanom, Nieren und auch Lungenkrebs verbessert. Es bestand jedoch von Anfang an die Befürchtung, dass die Checkpoint-Inhibitoren die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen fördern könnten.
Dies ist jetzt eingetreten. Laura Cappella von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore und Mitarbeiter berichten, dass der rheumatologische Konsildienst seit einiger Zeit immer wieder Patienten aus der onkologischen Station der Klinik betreuen muss. Betroffen waren bisher nur 13 Patienten, was aber immerhin einem Anteil von 1,3 Prozent aller mit Ipilimumab und/oder Nivolumab behandelter Patienten entspricht. Cappella vermutet, dass der Anteil in Wirklichkeit höher ist, da viele Krebspatienten mit milden Gelenkbeschwerden vermutlich gar nicht bei einem Rheumatologen vorgestellt werden. Die beiden Checkpoint-Inhibitoren werden zudem derzeit ausschließlich bei Patienten im Endstadium der Erkrankung eingesetzt, deren Lebenszeit begrenzt ist. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass die Zahl der rheumatologischen Komplikationen bei längeren Behandlungszeiten (von Patienten in einem früheren Stadium der Erkrankung) ansteigt.
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Die 13 Patienten der Fallserie waren im Mittel 58,7 Jahre alt: Fünf hatten eine Monotherapie mit Nivolumab oder Ipilimumab erhalten. Bei acht Patienten waren beide Wirkstoffe kombiniert eingesetzt worden. Neun der 13 Patienten entwickelten eine entzündliche Arthritis, bei vier Patienten konnte mittels Ultraschall oder Kernspin eine Synovitis bestätigt werden. Bei vier Patienten wurden Entzündungszeichen in der Gelenkflüssigkeit gefunden. Die anderen vier der 13 Patienten entwickelten ein Sicca-Syndrom infolge einer schweren Unterfunktion der Speicheldrüsen, wie sie auch beim Sjögren-Syndrom, einer bekannten Autoimmunerkrankung, auftritt. Weitere Symptome einer Autoimmunreaktion waren Pneumonitis, Kolitis, interstitielle Nephritis und Thyreoiditis. Bei fünf der 13 Patienten wurden antinukleäre Antikörper im Blut nachgewiesen.
Alle 13 Patienten wurden zunächst mit Kortikosteroiden behandelt. Bei den meisten kam es zu einer Verbesserung, zwei Patienten mussten jedoch zusätzlich mit Methotrexat und Biologika (TNF-Hemmer) behandelt werden. Cappelli rät allen Onkologen, auf rheumatologische Beschwerden bei ihren Patienten zu achten und diese frühzeitig behandeln zu lassen. © rme/aerzteblatt.de

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