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Politik

„Damit hatte niemand gerechnet!“

Montag, 27. Juni 2016

London – Es war eine kurze Nacht nach dem Referendum in Großbritannien: Um 4.40 Uhr kam am vergangenen Freitagmorgen die Nachricht über die Sender: „Out“ führt und kann nicht mehr kippen.

Fünf Fragen an Anna Sauerbier, Clinical Research Fellow in der Neurologie​ am Kings College Hospital und Kings College in London. Sauerbier hat in Gießen Humanmedizin studiert und lebt seit fast vier Jahren in London.

DÄ: Wie waren die ersten Reaktionen ihrer Arbeits­kollegen auf die Nachricht vom Brexit?
Anna Sauerbier: Ich arbeite in einem sehr internatio­nalen Team – neben Briten arbeiten in unserem Team Kollegen zum Beispiel aus Deutschland, Portugal und Italien. Nachdem morgens kurz nach halb fünf klar war, dass Großbritannien sich gegen die EU entschieden hat, liefen die Handys heiß. Einige von uns waren früh aufgestanden – schon ab Mitter­nacht wurde deutlich, dass es knapp werden könnte. Aber wir alle dachten: Ein EU-Aus­stieg – das kann nicht sein!

DÄ: Wie waren die Erwartungen im Vorfeld?
Sauerbier: Vielleicht gab es eine gewisse Leichtfertigkeit der EU-Befürworter, die ge­glaubt haben, das Referendum gehe ja doch für die EU aus. Meine Freunde und ich haben im Vorfeld allen gesagt: „Geht unbedingt wählen. Es steht so viel auf dem Spiel!“ Aber letztlich haben wir alle hier in London doch relativ fest mit einer Entscheidung für die EU gerechnet. Aber Kollegen und Freunde, die im Umland leben, waren skeptischer. Zu Recht, wie sich gezeigt hat.

DÄ: Wie wirkt sich die Entscheidung jetzt aus – gibt es direkte Folgen?
Sauerbier: Wir wissen es nicht. Es herrscht große Ratlosigkeit und Unsicherheit. Ich denke aber, dass der Alltag erst einmal weitergeht wie bisher. Langfristig werden sich die Auswirkungen zeigen.

DÄ: Welche negativen Auswirkungen werden zum Beispiel befürchtet?
Sauerbier: Viele meiner Kollegen arbeiten in der Forschung und sind natürlich auf Forschungsgelder und Stipendien angewiesen. Die kommen zu einem großen Teil aus der EU.

DÄ: Sie leben seit vier Jahren in London. Wie empfinden Sie die Entscheidung per­sönlich?
Sauerbier: Als Ausländer fühlt man sich in London nicht fremd, sondern schnell heimisch, weil es eine so internationale Stadt ist. Dass so viele Engländer und Waliser jetzt gegen diese Internationalisierung gestimmt haben, macht mich sehr traurig, weil es uns alle doch sehr auf die Rolle als Fremde verweist. Viele junge Menschen sind auch wütend, weil die Auswertungen klar gezeigt haben: Die jungen Menschen wollten mit großer Mehrheit in der EU bleiben. © hil/aerzteblatt.de

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