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Medizin

Arme und alleinstehende Typ 2-Diabetiker sterben früher

Mittwoch, 29. Juni 2016

/dpa

Göteborg – Ein niedriges Einkommen und der fehlende Rückhalt einer Ehe erhöhen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes das Sterberisiko. Dies zeigen die Ergebnisse einer Kohortenstudie in JAMA Internal Medicine (2016; doi: 10.1001/jamainternmed.2016.2940). Die Untersuchung wurde in Schweden durchgeführt, wo alle Einwohner Zugang zu der gleichen hochwertigen medizinischen Versorgung haben.

Es ist bekannt, dass die verschiedenen Spätkomplikationen des Typ-2-Diabetes das Sterberisiko erhöhen. Besonders ausgeprägt ist dieser Zusammenhang in einkommensschwachen Schichten. Diese Menschen haben in vielen Ländern nur einen eingeschränkten Zugang zu einer hochwertigen medizinischen Versorgung. Es war deshalb unklar, ob die erhöhte Sterblichkeit Folge des ungesünderen Lebensstils ärmerer Menschen ist oder auf eine schlechtere medizinische Versorgung zurückzuführen ist.

Diese Frage lässt sich am besten in skandinavischen Ländern klären, die ein egalitäres Gesundheitswesen haben. Araz Rawshani vom Nationalen Diabetes Register in Göteborg und Mitarbeiter werteten die Daten von allen 217.364 Personen im Alter unter 70 Jahre aus, die dem Register zwischen 2003 und 2010 wegen eines Typ-2-Diabetes gemeldet wurden. Bis Ende 2012 waren 19.105 von ihnen verstorben, davon 60 Prozent an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei 37 Prozent wurden Diabeteskomplikationen und bei 34 Prozent ein Krebs als Todesursache angegeben (wobei mehrere Einträge möglich waren).

Die Analyse ergab, dass Typ-2-Diabetiker im unteren Fünftel der Einkommensverteilung ein fast zweifach erhöhtes Sterberisiko haben. Rawshani ermittelt für die niedrigste Einkommensgruppe eine Hazard Ratio (HR) von 1,71 (95-Prozent-Konfidenzintervall 1,60-1,83) für das Gesamtsterberisiko. Für einen Herz-Kreislauf-Tod betrug die HR 1,87 (1,72-2,05), für einen Tod durch Diabeteskomplikation 1,80 (1,61-2,01) und für einen Krebstod 1,28 (1,14-1,44).

Die sorgfältig geführten schwedischen Kataster ermöglichten Rawshani eine ausführ­liche adjustierte Analyse, die eine Reihe von anderen Erklärungen ausschließt. Sie berücksichtigte neben Alter, Geschlecht, Dauer des Diabetes, Familienstand, Einkommen, Bildungsniveau und Geburtsland (Modell 1) auch Rauchen, HbA1c-Werte, geschätzte glomeruläre Filtrationsrate, Diabetes-Behandlung und Body-Mass-Index (Modell 2) sowie Albuminurie, Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt, Schlaganfall, dialysepflichtiges chronisches Nierenversagen und Krebserkrankungen zu Beginn der Beobachtungsphase (Modell 3). Auch eine schlechtere Krankenversorgung kann Rawshani als Erklärung ausschließen: Das steuerfinanzierte Gesundheitswesen behandelt in Schweden alle Einwohner gleich.

Da Geldmangel allein nicht zum Diabetestod führt, muss es andere Gründe für die erhöhte Sterblichkeit geben. Übergewicht, Alkoholkonsum, ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel, die in ärmeren Bevölkerungsschichten häufiger sind, bieten sich als Erklärungen an. Auch die fehlende Autonomie in Lebensentscheidungen, Stress, Hoffnungslosigkeit sowie eine soziale Vereinsamung kommen als Ursachen infrage. Die psychologischen Faktoren führen zu Störungen im Hormonhaushalt, die Forscher auch als „allostatische Last“ bezeichnen.

Unter den sozialen Faktoren scheint der Ehestand eine Rolle zu spielen, wie Rawshani in einer weiteren Untersuchung zeigen kann. Verheiratete Typ-2-Diabeter hatten im Vergleich zu Singles ein um 27 Prozent vermindertes Sterberisiko (HR 0,73; 0,70-0,77). Sie starben zu 33 Prozent seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HR 0,67; 0,63-0,71) und zu 38 Prozent seltener an Diabeteskomplikationen (HR 0,62; 0,57-0,67). Ein Einfluss auf die Krebssterblichkeit war nicht nachweisbar.

Bildung scheint vor einem vorzeitigen Tod zu schützen (wenn auch in geringerem Ausmaß als Reichtum): Hochschulabsolventen mit Typ-2-Diabetes hatten ein um 15 Prozent vermindertes Sterberisiko (HR 0,85; 0,80-0,90). Sie starben auch seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HR 0,84; 0,78-0,91) und an Krebs (HR 0,84; 0,76-0,93).

Auch ein „Healthy Emigrant effect“ war nachweisbar. Epidemiologen führen ihn darauf zurück, dass vor allem körperlich robuste Menschen sich zur Migration entschließen: Migranten aus außereuropäischen Ländern mit Typ-2-Diabetes hatten eine um 45 Prozent verminderte Sterblichkeit (HR 0,55; 0,48-0,63). © rme/aerzteblatt.de

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