Politik
Berlin: Erste Portalpraxis eröffnet im August
Freitag, 1. Juli 2016
Berlin – Die Rettungsstellen in Berlin sind überlastet. Die Wartezeiten sind lang. Ein Grund: Immer mehr Patienten drängen in die Notaufnahmen, obwohl sie nicht zwingend in die Rettungsstelle gehören. Um Patienten dort schneller und besser behandeln zu können, haben die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin und das Unfallkrankenhaus Berlin (ukb) im Beisein von Berlins Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) heute einen Vertrag für eine Notfallpraxis, auch Portalpraxis genannt, am ukb geschlossen.
Ab dem 20. August wird die neue Portalpraxis zu sprechstundenfreien Zeiten an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen von 10.30 Uhr bis 22.30 Uhr Notfallpatienten versorgen. Diese werden zuvor in der zentralen Aufnahmestelle des ukb registriert und sortiert. Akute Notfälle werden weiter von den Spezialisten des ukb versorgt, bei nicht so schwer betroffenen Kranken oder Verletzten erfolgt die Behandlung durch Ärzte der KV. Zunächst soll sich nach KV-Angaben ein Facharzt – möglichst für Allgemeinmedizin – in der Portalpraxis um Patienten kümmern. Bei Bedarf könnte dies auf mehrere Ärzte aufgestockt werden, heißt es. Die KV-Ärzte können auf die Diagnostik des ukb zurückgreifen.
Guter Tag für Patienten und Klinikpersonal
„Am meisten geholfen ist den Patienten, die am Wochenende gerne mit den Dingen behandelt werden möchten, die sie subjektiv als Notfall empfinden“, betonte Axel Ekkernkamp, Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer des ukb. Patienten ohne Dringlichkeit würden in der Regel früher als bisher untersucht, weil sie nicht warten müssten, bis die akuten Notfälle versorgt worden seien. Das Klinikpersonal könne sich darüber hinaus „noch intensiver um die Schwerkranken und Schwerverletzten kümmern“. Stolz sei er besonders darauf, dass es vom ersten Kontakt zwischen KV und ukb bis zur Vertragsunterzeichnung lediglich fünf Wochen gedauert habe. Das sei im Gesundheitswesen etwas „ganz Ungewöhnliches“.
Angelika Prehn, Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin, lobte die Verhandlungen mit dem ukb. Mit anderen Kliniken verliefen die Gespräche komplizierter. Sie machte mit Nachdruck deutlich, dass die Portalpraxis am ukb keine offizielle Sprechstunde habe. Patienten, die seit drei Wochen Husten hätten, sollten weiterhin zu normalen Sprechzeiten zu den niedergelassenen Ärzten gehen, sagte sie. Uwe Kraffel, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KV Berlin, wies darauf hin, dass die KV derzeit mit anderen Kliniken über Portalpraxen verhandle. Die Vertreterversammlung habe vorgegeben, dass vier bis acht KV-Notfallpraxen in Berlin an Krankenhäusern mit Rettungsstellen eingerichtet werden sollten.
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Gesundheitssenator Czaja deutete an, dass sein Ziel eigentlich rund zehn Notfallpraxen in Berlin wären. Wenn allerdings in jeder der sechs Krankenhausregionen Berlins eine Portalpraxis am Netz sei, dann „wäre das gut“, so der Senator.
Erwartet werden 5.000 Fälle jährlich
Das ukb geht davon aus, dass im ersten Jahr rund 5.000 Menschen in der Portalpraxis behandeln werden. Schätzungen von Klinikchef Ekkernkamp zufolge kommen derzeit am Wochenende jeweils rund 120 Menschen in die Rettungsstelle, die voraussichtlich auch von den niedergelassenen Kollegen therapiert werden könnten. Jährlich werden in der ukb-Rettungsstelle derzeit insgesamt rund 60.000 Patienten versorgt.
Das – zum Teil heftig umstrittene – Vorhaben, Notfallpraxen an Kliniken einzuführen, geht auf das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) zurück, das Anfang 2016 in Kraft getreten ist. Das Gesetz sieht vor, dass KVen künftig entweder Portalpraxen in beziehungsweise an Kliniken, die sich an der Notfallversorgung beteiligen, als erste Anlaufstelle einrichten oder die Ambulanzen von Krankenhäusern über entsprechende Vertragsvereinbarungen unmittelbar in den vertragsärztlichen Notfalldienst einbinden.
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