Ärzteschaft
Medizinstudierende wehren sich gegen Landarztquote
Montag, 4. Juli 2016
Berlin – Die Forderung der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) nach einer Landarztquote hat scharfe Kritik bei Medizinstudierenden ausgelöst. „Wir sind sehr verwundert und enttäuscht über die Forderung. Eine Landarztquote macht überhaupt keinen Sinn“, erklärte die Sprecherin der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd), Solveig Mosthaf, auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblatts.
„Es wäre ein fatales Signal, wenn gegen das eindeutige Votum der Medizinstudierenden mit Zwangsmaßnahmen oder dem verfrühten Festlegen von Studienbewerbern auf eine Jahre spätere Tätigkeit auf dem Land Versorgungsprobleme gelöst werden sollen“, sagte Moritz Völker, der Vorsitzende des Ausschusses der Medizinstudierenden im Hartmannbund. Auch die Delegierten des vergangenen Deutschen Ärztetages hatten sich in Hamburg gegen eine Landarztquote ausgesprochen.
Die 16 Gesundheitsminister der Länder votierten vergangene Woche auf ihrem Treffen in Warnemünde dafür, im Masterplan Medizinstudium 2020 jedem Bundesland die Option für eine eigene Landarztquote offenzuhalten. Wie hoch diese sein soll, bleibt offen. „Das hängt auch vom Bedarf in den einzelnen Ländern ab“, erklärte Birgit Hesse (SPD), diesjährige GMK-Vorsitzende und Gesundheitsministerin in Mecklenburg-Vorpommern. „Landarztquote“ bedeutet, dass ein Anteil von Medizinstudienplätzen Bewerbern zur Verfügung gestellt werden, die sich vorab – also vor dem Studium – verpflichten, als Landarzt tätig zu werden.
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„Jungen Menschen kann man nicht abverlangen, sich zu einer hausärztlichen Tätigkeit in einer unterversorgten Region zu verpflichten, bevor sie überhaupt die Gelegenheit hatten, den Beruf und das Fach kennenzulernen. Eine solche Verpflichtung ist eine Zumutung – sie kann und darf kein Auswahlkriterium für eine Zulassung zum Medizinstudium sein“, kritisierte die bvmd.
Mosthaf erläuterte, warum die Quote aus Sicht der Studierenden auch versorgungstechnisch nicht sinnvoll ist: „Die Bereitschaft als Landarzt zu arbeiten sagt nichts über die Eignung des Bewerbers aus, Medizin zu studieren und Arzt zu werden“, erläuterte sie gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. Die Auswahlkriterien für das Studium sollten aber eben darauf abzielen – möglichst gute künftige Ärzte für das Studium auszuwählen, so die bvmd-Pressesprecherin.
Der Deutsche Hausärzteverband (DHÄV) hat unterdessen die Beschlüsse der GMK zum Masterplan Medizinstudium 2020 begrüßt. Diese sehen unter anderem auch eine Quartalisierung des Praktischen Jahres (PJ) vor, verbunden mit der Einführung eines verpflichtenden Quartals in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung. Außerdem soll die Allgemeinmedizin verpflichtendes Prüfungsfach im dritten Staatsexamen werden. „Eine konsequente Umsetzung dieser Maßnahmen würde zu einer deutlichen Stärkung der Allgemeinmedizin im Studium führen und damit auch dazu beitragen, dass sich zukünftig wieder mehr Studierende für den Hausarztberuf entscheiden“, sagte der DHÄV-Bundesvorsitzende Ulrich Weigeldt.
Die Beschlüsse der Gesundheitsminister sollen jetzt mit den Kultusministern der Länder abgestimmt werden. © hil/aerzteblatt.de

Die Quote würde weder das Problem kurzfristig lösen noch ist sie gerecht
Quote statt wirtschaftliche Anreize bedeutet: Ich, die ich eigentlich aufs Land wollte werde Gynäkologin in einer Stadt und in 10 Jahren, nach weiteren 10 Jahren Unterversorgung, habt ihr auf dem Land Ärzte, die dort gar nicht hin wollten und sich nur darauf eingelassen haben, weil sie sonst gar nicht hätten Medizin studieren können. Es wird durch die Quote ja nicht mehr Studienplätze geben, sondern die Plätze mit freier Facharzt- und Ortwahl werden noch geringer.
@ Mathilda: Woher nehmen Sie die Information, Schulen auf dem Land wären schlechter ausgestattet als in der Stadt? Gibt es dazu Daten? Meine Schule war hervorragend. Außerdem kommt es bei den aktuellen Auswahlkriterien weniger darauf an, wie gut der Unterricht ist, sondern darauf, wie großzügig die Lehrer gute Noten verteilen. Ich glaube nicht, dass Lehrer auf dem Land strenger sind als in der Stadt. Ich hatte nie das Gefühl, schlechtere Chancen zu haben, weil ich auf dem Land aufgewachsen bin.

Jede Quote ist ein Eingeständnis für verfehlte Regularien im Vorfeld

@ w.baertl: kein Zwang, sondern eine andere Auswahl von Studenten
Wer sagt aber, dass ein Abiturient mit einer um 0,1 besseren Abiturnote der bessere Arzt wäre? Für die Eignung als Arzt zählt eben nicht nur krudes Wissen (gepaart mit der gezielten Auswahl der Abiturfächer und nicht zuletzt dem Hauch an Beziehungen der Eltern). Es zählt z.B. auch Einfühlungsvermögen. Wer in seiner Heimat aufgewachsen ist, den Menschenschlag kennt, weiß, wie die Leute ticken, ist der beste Land- oder Hausarzt.
Im Übrigen: sehen etwa die städtischen Ärzte eine Gefahr für die Studienmöglichkeiten ihrer Sprößlinge? Ist schon schlimm, wenn andere auch mal Chancen bekommen sollen...

"Zwangsmaßnahmen"
M.E. darf es keine Medizinstudentinnen/en erster und zweiter Klasse geben - die mit der freien Entfaltung ihrer Wünsche und Neigungen und die mit der eingeschränkten "Landverpflichtung". Weiß eine 17 -jährige G-8 Studentin zu Beginn des Studiums schon worauf sie-bzw. die Eltern - sich da einlassen? Diese Zwangsmaßnahme lenkt wieder einmal vom zentralen Punkt ab - der mangelnden Attraktivität. Die Praxen auf dem Land - egal ob Haus- oder Facharzt - sind einfach wirtschaftlich in Konkurrenz zu den Arztstellen in den Kliniken nicht mehr konkurrenzfähig .Sie sind schlichtweg nicht mehr wirtschaftlich attraktiv. Hier nützt auch keine Landarztquote - sondern - nur eine betriebswirtschaftlich attraktive und angemessene Vergütung. Diese Zahlen sollten sich die Gesundheitsminister mal ansehen und sich vorrangig dafür einsetzen. Damit stärken sie die haus- und fachärztliche Grundversorgung in den Regionen effektiver und nachhaltiger, als mit wohlklingenden Lockangeboten, die am Ende nicht halten werden, was sie versprechen.
W.Bärtl
www.bvnf.de

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