Medizin
Haben antisoziale Jugendliche eine auffällige Hirnstruktur?
Dienstag, 5. Juli 2016
Cambridge – Jugendliche, die antisoziale Verhaltensweisen zeigen, haben in MRT-Aufnahmen häufig eine veränderte Hirnstruktur. Das schreiben Wissenschaftler der University of Cambridge und der University of Southampton. Die Forschergruppe um Luca Passamonti berichtet über ihre umstrittene These im Journal of Child Psychology and Psychiatry (2016; doi: 10.1111/jcpp.12581).
Jugendliche mit einer antisozialen Verhaltensstörung neigen zu Kriminalität und aggressivem Verhalten. Häufig bestehen schulische Probleme und im weiteren Verlauf auch Schwierigkeiten mit Gewalt, Einbrüchen sowie Umgang mit Waffen. Es sind eher Jungen als Mädchen betroffen.
Vorangegangene Studien haben laut den Forscher bereits belegt, dass solche Jugendliche Auffälligkeiten der Hirnstruktur zeigen. Viele dieser Analysen seien jedoch nicht komplex genug und würden nur einzelne Hirnareale erfassen. Die Forscher wollten ein umfassenderes morphologisches Bild erhalten.
Sie untersuchten hierzu 58 männliche Jugendliche und junge Erwachsene (16 bis 21 Jahre) mit einer antisozialen Verhaltensstörung, sowie 25 gesunde Kontrollen. Bei allen Probanden wurden MRT-Aufnahmen durchgeführt.
Es zeigte sich, dass in erster Linie Jugendliche, bei denen die Störung bereits im Kindesalter begann, eine auffällige Hirnstruktur aufwiesen. Sie hatten ein spezielles Muster von Kortexverdickungen, welche bei den gesunden Teilnehmern nicht nachweisbar war. Sie fanden sich in der frontalen und temporalen Hirnregion. Die Korrelationen waren auch nach Adjustierung für Intelligenz und komorbide ADHS-Erkrankungen stabil.
Bei Patienten, die erst in der Jugend die Störung entwickelten, waren diese interindividuellen Korrelationen weniger stark ausgeprägt. Eventuell bestanden hier Unterschiede in der synaptischen Verschaltung und nicht der Hirnstruktur, mutmaßt die Arbeitsgruppe. Die Wissenschaftler konnten ihre Ergebnisse in einer weiteren unabhängigen Kohorte mit 69 Probanden bestätigen.
Kortexverdickungen könnten Aktivitätsstörungen im Gehirn verursachen und so zu der Störung beitragen, meinen die Wissenschaftler. Die Ergebnisse unterstreichen laut den Forschern, dass Jugendliche mit dissozialem Verhalten an einer echten psychischen Erkrankung leiden und nicht einfach ein besonders rebellisches Verhalten zeigen. Die Unterschiede zwischen Jugendlichen, welche die Störung spät beziehungsweise früh entwickeln, würden außerdem Hinweise auf unterschiedliche Pathogenesen geben. © hil/aerzteblatt.de

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