Ausland
Unicef-Bericht prangert mangelnde Hilfe für Flüchtlingskinder an
Dienstag, 5. Juli 2016
Berlin – Weltweit wächst heute jedes neunte Kind in einer von Gewalt oder bewaffneten Konflikten geprägten Umgebung auf. Darauf hat das UN-Kinderhilfswerk Unicef in seinem heute veröffentlichten Report „Flüchtlingskindern helfen“ hingewiesen. Es will damit auf die dramatische Lage vieler Kinder in Krisengebieten aufmerksam machen. In dem Report ist von einer „neuen Ära humanitärer Krisen“, die Rede, in der eine „Generation der Kriegs- und Krisenkinder“ aufwachse. Allein im vergangenen Jahr seien 16 Millionen Kinder in einer Konfliktregion geboren worden.
Besonders erschreckend sei, dass sich Gewalt zunehmend gezielt gegen Kinder richte. Jeden Tag würden im Durchschnitt vier Schulen oder Krankenhäuser angegriffen. Allein in Syrien zählte Unicef 2015 mehr als 1.500 schwerste Kinderrechtsverletzungen. In 60 Prozent der Fälle wurden Kinder durch Bomben in dicht besiedelten Wohngebieten getötet oder verstümmelt.
Für Kinder im Krieg und auf der Flucht sei Heimatlosigkeit ein schweres Schicksal, sagte Jürgen Heraeus, Vorsitzender von Unicef Deutschland. „Trotzdem ist es möglich, ihnen Erfahrungen zu vermitteln, die alle Kinder brauchen: Ein Stück Sicherheit, Vertrauen, die Möglichkeit zu spielen und zu lernen.“ Deshalb sei es wichtig, dass Kinder auch in Konfliktregionen zur Schule gehen könnten. Für viele ist das jedoch ein Traum. Rund 75 Millionen Kinder im Alter von drei bis 18 Jahren können wegen anhaltender Krisen oder Katastrophen keinen Kindergarten besuchen, nicht zur Schule gehen oder nur unregelmäßig lernen, heißt es in dem Bericht.
Es drohen psychische Probleme
Der Bericht nimmt auch die Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge ohne gültige Papiere ins Visier. Diese hätten es in der Bundesrepublik besonders schwer, wie der Report 2016 ausführt. Unicef schätzt zudem, dass etwa durch den Konflikt im Nahen Osten ein Fünftel der Kinder Gefahr läuft, psychische Probleme zu entwickeln. Bis zu vier Prozent der Kinder könnten demnach ohne angemessene Hilfe sogar schwere psychische Probleme bekommen. Seit Beginn des Konflikts in Syrien müssten zum Beispiel immer mehr Flüchtlingskinder arbeiten: harte Feldarbeit im Libanon, Aushilfe in jordanischen Geschäften, Fertigung von Schuhen in der Türkei.
Unicef macht EU Vorwürfe
Kritik äußerte Unicef an der Reaktion der EU auf die Flüchtlingskrise. Demnach wurden bis Dezember 2015 lediglich 600 der geplanten 20.000 Flüchtlinge von außerhalb der Europäischen Union umgesiedelt, nur 212 der geplanten 160.000 Menschen innerhalb der EU umverteilt und nur zwei der geplanten elf „Hotspots“ zur Registrierung und Identifizierung von Flüchtlingen in Betrieb genommen. Wenn das Recht auf Asyl schrittweise ausgehöhlt werde, habe die EU ein „ernsthaftes Glaubwürdigkeitsproblem“, hieß es.
Bis Ende November 2015 waren den Angaben zufolge fast 240.000 Kinder aller Altersstufen allein oder mit ihren Familien auf der Suche nach Asyl in der EU. Unter den eine Million Flüchtlingen und Migranten, die 2015 in Deutschland angekommen sind, sind demnach geschätzte 300.000 Kinder. Die Anstrengungen freiwilliger Helfer sowie zivilgesellschaftlicher Organisationen sei beeindruckend, sie könnten jedoch „nicht übernehmen“, was die „Aufgabe staatlicher Stellen“ sei.
Obwohl der Zusammenhang zwischen Not und Flucht bekannt sei, bleibe Deutschland mit seinen Ansätzen für Entwicklungszusammenarbeit trotz einiger Erhöhungen von Haushaltstiteln bei etwa 0,4 Prozent des Bruttosozialprodukts. „Der fehlende Wille, die Güter der Welt gerecht zu teilen und zufriedenstellende Lebensbedingungen zu schaffen, wird den wirtschaftlich entwickelten Staaten weitere Millionen von Flüchtlingen bescheren“, heißt es in dem Bericht. © dpa/afp/aerzteblatt.de

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