Politik
Wissenschaftler fordert mehr Spielraum für Demenzforschung
Mittwoch, 6. Juli 2016
Berlin – Union und SPD haben gestern entschieden, dass über die gruppennützige Forschung an nichteinwilligungsfähigen Menschen wie etwa Demenzkranken erst nach der Sommerpause im Bundestag beraten wird. Die Kritik entzündete sich vor allem daran, dass Testverfahren möglich geworden wären, die den Patienten persönlich nicht mehr medizinisch geholfen hätten, sondern der Demenzforschung generell dienten. Nun mischen sich auch hochrangige Wissenschaftler in die Debatte ein.
Der Medizinwissenschaftler Gerd Antes forderte mehr Spielraum für Demenzforschung und hält den umstrittenen Gesetzentwurf zu Arzneimitteltests an Demenzkranken für angemessen. Der Direktor des Deutschen Cochrane-Zentrums in Freiburg kritisierte die Debatte heute im Deutschlandradio Kultur als sehr stark ideologiebehaftet.
Antes sagte, Demenzerkrankungen entwickelten sich zu einem riesigen Problem in der alternden Gesellschaft, das Ausmaß werde bisher unterschätzt. Die Forschung sei noch nicht einmal in Sichtweite einer Lösung. Daran müsste sich die Entscheidung über Arzneimittelprüfungen stärker orientieren. Es müsse gezielt geforscht werden und teilweise auch auf eine Weise, die bisher nicht zugelassen sei.
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Der Wissenschaftler, der im Cochrane-Zentrum die Qualität medizinischer Studien begutachtet, betonte, es sei legitim, wenn Betroffene zu Zeiten, in denen sie im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte waren, solchen Tests zustimmten. Später gebe es gesetzliche Vertreter von Demenzkranken. Medikamente müssten irgendwann an den Menschen getestet werden, die es betrifft und denen sie helfen sollen, betonte Antes.
Er räumte zugleich ein, dass es Beispiele gebe, in denen „die Forschung entgleist in eine Richtung, wo sie dann nur noch Forschung ist und den Forscherinteressen und ihren Karrieren dient. Das darf nicht sein“. Ethikkommissionen seien hier ein notwendiges Kontrollinstrument. Der Wissenschaftler kritisierte in diesem Zusammenhang die im Gesetzentwurf enthaltene Formulierung, dass bei der Entscheidung die Position der Ethikkommissionen „maßgeblich zu berücksichtigen“ seien. Die Entscheidung von Ethikkommissionen sollten „bindender“ sein. © kna/aerzteblatt.de

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