Ausland
Soziales Ungleichgewicht für Brexit maßgeblich
Donnerstag, 7. Juli 2016
London – Ihrem Zorn und ihrer Fassungslosigkeit über den Ausgang des Referendums – dem Brexit – geben auch Wissenschaftler im British Medical Journal Ausdruck. „Die Hintergründe für den sinkenden Gesundheitszustand der Bevölkerung und den abnehmenden Lebensstandard in Großbritannien sind nicht die Einwanderung aus der EU, sondern das zunehmende ökonomische Ungleichgewicht und die strenge Sparpolitik des Staates“, stellte Danny Dorling, Professor für Geographie an der University of Oxford, in einem Editorial klar.
Im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten habe Großbritannien das Erziehungs- und Bildungssystem systematisch unterfinanziert, Belastungen für Studierende gesteigert, zunehmend unfinanzierbare Wohn- und Mietpreise toleriert und Arbeitsverträge gefördert, die keine Sicherheit böten, so seine Kritik.
Die strenge Sparpolitik des Staates – von Ökonomen auch Austerität genannt – habe einen wichtigen Anteil daran, dass Menschen, die dauerhaft eine medizinische Versorgung benötigten, in Großbritannien heutzutage früher sterben würden als vor einigen Jahren. Er warnte, dass sich die Gesundheits- und soziale Krise noch verschärfen werde, wenn es schwieriger werde, aus der EU Nachwuchskräfte zu rekrutieren.
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Dorling argumentiert, Großbritannien habe von der Einwanderung aus der EU sehr profitiert: Die Einwanderer seien oft gesünder als der Durchschnitt der Bevölkerung in England, sie seien außerdem auf Kosten anderer Länder ausgebildet worden und in Großbritannien im Gesundheits-, Sozial- und Erziehungswesen tätig. „Ihre Ankunft hat die gesundheitliche Ungleichheit vermindert und den durchschnittlichen Gesundheitsstatus der Bevölkerung erhöht“, schreibt er.
Laut Dorling ist das Steuersystem in fast allen übrigen europäischen Ländern effektiver als in Großbritannien. Außerdem gäben diese Länder mehr Geld für Gesundheit aus und tolerierten keine so große ökonomische Ungleichheit. „Wir wurden im Rahmen des Referendums ermutigt, die Einwanderung und die EU für unsere Probleme verantwortlich zu machen, um uns von diesen nationalen Fehlern abzulenken. Diese Lüge der Brexit-Befürworter wird nun offenbar“, so Dörling. © hil/aerzteblatt.de

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